Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
Mann versuchte, Druck auf sie auszuüben, schob sie ihn einfach zur Seite. Wenn er versuchte, sie mit seinen Verführungskünsten einzuwickeln, widerstand sie ihm mühelos. Wenn ein Mann sich aufs Bitten und Betteln verlegte …
Ein breites Grinsen hellte ihr Gesicht auf, als sie sich Jacob Hornblower auf den Knien vorstellte. Oh, das wäre der Triumph schlechthin. Der geheimnisvolle Dr. Hornblower zu ihren Füßen, flehend, winselnd …
Mit einem schweren Seufzer nahm sie ihren Marsch wieder auf. Zu schade, dass sie nicht an den Einsatz weiblicher Waffen glaubte. Ganz gleich, was für ein Trottel er auch sein mochte, sie hatte ihre Prinzipien.
Sie war eine moderne Frau, die auf eigenen Füßen stand, mit oder ohne Mann. Keine Dalila, die Sex als Waffe benutzte. Trotzdem wünschte sie, sie könnte ein Mal, nur dieses eine Mal, ihre Prinzipien vergessen und diesen Mann mit weiblichen Verführungskünsten zu einem jämmerlichen, flehenden Zwerg zusammenschrumpfen lassen.
Er hat Sex benutzt, dachte sie und kickte einen Schuh aus dem Weg. War das nicht mal wieder typisch Mann? Ständig behaupteten sie, die Frauen wären diejenigen, die lockten und reizten und verführten. Erneut versetzte sie dem wehrlosen Schuh einen Tritt. Männer, und zwar ausnahmslos die gesamte Gattung, zogen es immer vor, so zu tun, als würden sie völlig unschuldig von der Femme fatale in die Falle gelockt. Ha!
Sollte irgendjemand es wagen, Sunny Stone eine Femme fatale zu nennen, würde er sich einen saftigen Faustschlag einfangen!
Er hatte sich ihr gewaltsam aufgedrängt!
Ihr tiefes Gefühl für Ehrlichkeit und Fairness zwang sie allerdings zuzugeben, dass er Gewalt nur für den Bruchteil einer Sekunde angewandt hatte – falls man das überhaupt Gewalt nennen konnte. Bevor er ihr mit seinem Kuss den Verstand geraubt hatte.
Sie hasste es. Die Vorstellung, dass sie wie eine rückgratlose romantische Heldin aus einem Liebesroman nachgegeben hatte. Und dann hatte sie ihn auch noch zurückgeküsst. Wie hieß das Wort noch? Lüstern. Sunny krümmte sich innerlich. Ein lausiger kleiner Kuss, und sie war praktisch in ihn hineingekrochen. Auch dafür würde er bezahlen. Weil er sie dazu gebracht hatte.
Am besten konnte sie es ihm heimzahlen, wenn sie sich auf sein Ego einschoss. Das war immer das offensichtlichste Ziel, das ein Mann einer Frau bot. Wenn sie sich hier im Zimmer versteckte, würde er sich nur einbilden, dass er sie getroffen hätte. Also würde sie sich ganz normal geben und so tun, als sei nichts geschehen.
Jacob war noch immer in der Küche, als Sunny hinunterkam. Sie schaltete die Stereoanlage ein und drehte die Lautstärke auf. Damit wäre eine Konversation auf jeden Fall schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Sunny legte ein Holzscheit nach und ließ sich dann auf dem Sofa nieder, um sich wieder in ihre Bücher zu vertiefen. Eine gute Stunde verging, bevor Jacob aus der Küche kam und nach oben ging. Sunny ignorierte ihn geflissentlich.
Mehr aus Langeweile denn aus Hunger ging sie in die Küche und bereitete sich ein riesiges Sandwich zu. Unter normalen Umständen hätte sie jedem Gast ebenfalls etwas zu essen angeboten, aber bei der Vorstellung, dass er hungrig sein könnte, schmeckte ihr das Sandwich noch viel besser.
Zufrieden zog sie Mantel und Stiefel an, um nach draußen zu gehen und das Vogelfutter im Vogelhäuschen nachzufüllen. Dieser kurze Ausflug machte ihr klar, dass sie es noch mehrere Tage mit ihrem ungebetenen Gast würde aushalten müssen. Der Schnee fiel so stark, dass ihre Spuren fast sofort wieder zugeschneit waren. Ein eiskalter, schneidender Wind trieb die blendend weiße Wand rasant voran und heulte in den Wipfeln der hohen Tannen.
Der Schnee reichte bis an den Rand ihrer Stiefel, während sie sich zurück zur Hütte kämpfte. Sunny blieb stehen, um Atem zu schöpfen, und ließ den Schneesturm um sich herumtoben. Sie konnte die Hand vor Augen nicht sehen, aber sie spürte die Urgewalt, die machtvolle, ungestüme Raserei. Es war überwältigend.
Ihr Ärger schwand. Alle Gedanken klärten sich. Während sie hier stand und der Wind ihr den Schnee ins Gesicht fegte, fühlte sie eine Ruhe und Zufriedenheit, die sie sonst nur selten empfand.
Auch wenn sie nie lange hier in den Bergen blieb, wenn sie schnell ruhelos wurde und sich nach Lärm und Aufregung und Menschen sehnte, gab es keinen Ort auf der Welt, an dem sie bei einem Schneesturm lieber wäre. Oder bei einem Sommergewitter. Nur hier, allein,
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