Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
keine Ahnung hatte, wie weit sie seinem geistigen Gesundheitszustand vertrauen konnte, kam außerdem das sehr reale Problem dieser Anziehungskraft hinzu. Nun, immer schön eins nach dem anderen, ermahnte sie sich.
»Wir haben genügend Kerzen.« Zum Beweis hielt sie die in ihrer Hand hoch. Es beruhigte sie sehr, dass die Flamme nicht zitterte. »Und Brennholz haben wir auch reichlich. Wenn du dich um das Feuer im Kamin kümmerst, verschaffe ich uns mehr Licht.«
Jacob sah, wie die kleine Flamme sich flackernd in ihren Augen widerspiegelte. Sunny war nervös, und er wünschte sich, sie würde dabei nicht so verführerisch aussehen. »Einverstanden.«
Sunny stellte alle Kerzen auf, die sie finden konnte. Zu spät fiel ihr auf, dass eine oder zwei Kerzen rustikal gewirkt hätten, die vielen allerdings verbreiteten eine romantische Atmosphäre. Sie stopfte die Streichholzschachtel in die Hosentasche und erinnerte sich daran, dass so etwas wie eine romantische Atmosphäre auf sie keine Wirkung hatte.
»Du weißt auch nicht, wie spät es ist, oder?«, fragte sie.
»Es müsste ungefähr sechs sein.«
Sie setzte sich auf die Sofalehne beim Feuer. »Dann habe ich wohl länger geschlafen als vorgehabt.« Nun musste sie das Beste aus der Situation machen. »Und wie hast du den Nachmittag verbracht?«
»Ich habe den Wasserhahn repariert.« Es hatte länger gedauert, als er erwartet hatte, aber er hatte es geschafft.
»Du bist ein richtiger Tüftler, was?« Da es sarkastisch klang, lächelte sie. Sie waren allein hier, wer konnte schon sagen, wie lange, und ihn zu verärgern, wäre bestimmt nicht klug. »Ich könnte uns ein paar Sandwichs machen.« Sie erhob sich anmutig. »Möchtest du ein Bier?«
»Ja, gern.«
Mit zwei Kerzen bewaffnet, ging Sunny in die Küche. Sie hatte sich schon fast entspannt, als sie merkte, dass er ihr gefolgt war. Sie öffnete die Kühlschranktür und merkte zu spät, dass das Innenlicht ja nicht angehen konnte. Schmollend drückte sie Jacob zwei Flaschen Bier in die Hand, nachdem er ihr kommentarlos die Kerze gehalten hatte.
Er erinnerte sich an das kleine Gerät, das sie benutzt hatte, um die Limonadenflasche zu öffnen, fand es und war stolz auf sich, dass es ihm sofort gelang, damit die Kronkorken von den Bierflaschen zu entfernen.
»Schalt doch mal das Radio ein.«
»Was?«
»Das Radio«, wiederholte sie. »Da drüben auf der Fensterbank steht es. Vielleicht hören wir ja den Wetterbericht.«
Er ging zu der kleinen schwarzen Kiste aus Plastik und grinste sehr zufrieden mit sich, als er den Netzschalter sofort fand. Allerdings war nur ein Rauschen zu hören.
»Dreh daran.«
Er überlegte ernsthaft, ob er sich dieses kleine Ding »ausleihen« und mit nach Hause nehmen sollte. »Drehen?«
»Du weißt schon, spiel daran herum. Versuch, einen Sender hereinzubekommen.«
Er starrte auf den Kasten und fragte sich, was sie mit »Herumspielen« meinte. Während er darauf achtete, dass Sunny mit dem Rücken zu ihm stand, hob er das Radio mit beiden Händen an und schüttelte es leicht. Da ihm das extrem albern vorkam, begann er an den Knöpfen zu drehen. Das Rauschen wurde lauter und leiser.
»Senf oder Mayo?«
»Wie?«
»Auf deinem Sandwich.« Sie mühte sich redlich um Geduld. »Möchtest du Senf oder Mayonnaise auf deinem Sandwich?«
»Egal. Das Gleiche wie du.« Mittlerweile konnte er blecherne Musik aus dem Kasten vernehmen. Wie konnten Menschen sich nur mit so minderwertigen Geräten abgeben? Zu Hause hatte er eine tragbare Einheit, die ihm das Wetter in Paris angab, den Verkehrsbericht vom Mars und eine heiße Tasse Kaffee produzierte, alles zur gleichen Zeit. Dieses antike Kinderspielzeug hier brachte nicht mehr zustande als einen Laut, als würde jemand ein Banjo in einem Windkanal spielen.
»Lass mich mal.« Sunny stellte die fertigen Sandwichs beiseite und nahm ihm das Radio aus der Hand. Sekunden später hallte laute Musik durch die Küche. »Das ist ein Radio mit Charakter«, sagte sie in seine Richtung.
»Es ist eine Maschine«, korrigierte er sie säuerlich.
»Aber eine mit Charakter.« Zufrieden stellte sie den kleinen Transistor zurück auf die Fensterbank und ging mit ihrem Teller und ihrer Bierflasche zum Tisch. »Der Wetterbericht ist sowieso unnütz. Ich weiß selbst, dass es schneit.«
Jacob nahm einen von den Kartoffelchips, die sie mit auf den Tellerrand gelegt hatte. »Die Frage ist doch wohl, wann es aufhört.«
»Reine Spekulation.« Sie zuckte mit einer
Weitere Kostenlose Bücher