Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
so wütend aus – wütend auf sich selbst. Und genauso verwirrt wie sie, über das, was so urplötzlich und unerwartet zwischen ihnen entstanden war. »Wie wärs, wenn wir es erst einmal von einem Tag zum nächsten angehen lassen?«
Er wandte den Blick zu ihr. Wie gern wollte er glauben, dass es so einfach wäre. Er musste einfach daran glauben. »Und was geschieht, wenn ich abfahren muss?«
Das Eis war jetzt mit Sicherheit geschmolzen, denn sie fühlte den ersten Stich schmerzhaft in ihrem Herzen. »Damit werden wir uns beschäftigen, wenn es so weit ist.« Sie wählte ihre Worte sehr vorsichtig. »Jacob, ich glaube nicht, dass einer von uns es darauf angelegt hatte, aber es ist trotzdem geschehen. Und ich möchte es nicht missen.«
»Bist du sicher?«
Sie legte eine Hand an seine Wange. »Ganz sicher.« Aus Angst, sie könnte zu schnell zu viel preisgeben, kuschelte sie sich wieder unter die Decke. »Und da das jetzt geklärt ist, bist du mit Frühstück machen dran. Ruf einfach, wenn alles fertig ist.«
Er brachte keinen Ton heraus. Die Furcht, was ihm über die Lippen kommen könnte, sollte er den Mund öffnen, machte ihn stumm. Wenn ihm nur die Wahl blieb zwischen zu viel sagen oder zu wenig sagen, entschied er sich für Letzteres. Er richtete sich auf, griff sich die Kleider, die er finden konnte, und ging nach unten.
Als Sunny allein war, drehte sie das Gesicht in die Kissen und atmete Jacobs Duft ein. Mit einem schweren Seufzer zwang sie sich, sich zu entspannen. Sie hatte gelogen. Zurückweisungen verletzten sie zutiefst, sie fühlte sich dann unendlich elend und voller Selbstverachtung. Und sollte er sie zurückweisen … das würde sehr viel schlimmer sein, als aus einem Job gefeuert zu werden.
Sie rieb die Wange an dem Kissen und blinzelte ins Tageslicht. Was würde sie tun, wenn er das hier beendete? Sie würde es überleben und sich davon erholen. Daran musste sie einfach glauben. Aber gleichzeitig wusste sie, dass es den Rest ihres Lebens dauern würde, bevor sie sich erholt hätte.
Und deshalb konnte sie nicht zulassen, dass er sich abwandte.
Natürlich war es wichtig, nicht zu drängen. Sunny wusste, sie verlangte immer zu viel von den Menschen, die sie liebte. Zu viel Liebe, zu viel Aufmerksamkeit, zu viel Geduld, zu viel Vertrauen. Dieses Mal würde sie es anders machen. Sie würde geduldig sein. Sie würde Vertrauen zeigen.
Diesmal wäre es auch leichter, denn er war genauso erschüttert wie sie. Das wäre jeder, nachdem er mit solcher Macht auf einen anderen Menschen geprallt war. Wenn sie in so kurzer Zeit so weit gekommen waren, wie weit konnten sie dann in den vor ihnen liegenden Wochen voranschreiten?
Sie brauchten einfach nur Zeit, um einander kennenzulernen, um die scharfen Kanten abzuschleifen. Nun, die Kanten vielleicht nicht. Um die abzuschleifen, würde ein Leben wahrscheinlich nicht ausreichen. Und außerdem gefielen sie ihr im Grunde genommen. Sie machten das Ganze äußerst reizvoll.
Bei dem Gedanken lächelte sie. Ihr geknicktes Selbstbewusstsein richtete sich wieder auf. Und wenn das nicht funktionieren sollte, würde sie ihn schon dazu bringen, nach ihrer Pfeife zu tanzen. Sunny wusste genau, was sie wollte. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie wollte Jacob T. Hornblower. Und sollte er seine jämmerliche kleine Tasche zusammenpacken und zurück gen Osten ziehen, nachdem er mit Cal gesprochen hatte, dann würde sie ihm einfach folgen.
Was bedeuteten schon ein paar tausend Meilen zwischen Freunden? Oder Liebenden?
Oh, nein, kampflos würde sie sich nicht von ihm abschütteln lassen. Und kämpfen konnte sie. Wenn sie ihn wollte – dessen war sie sich sicher –, würde er nicht die geringste Chance haben. Sie hatte das gleiche Recht wie er, die Sache zu beenden, und sie war weit davon entfernt, das zu tun. Vielleicht, wenn er Glück hatte, würde sie ihn in fünfzig oder sechzig Jahren freigeben. In der Zwischenzeit würde er sich einfach damit abfinden müssen. Und mit ihr.
»Sunny! Ich habe dieses bunte Zeug in die Schüsseln gefüllt, aber ich kann den verdammten Kaffee nicht finden!«
Sie grinste. Ah, die süße Stimme des Geliebten schwebte durch die frische Morgenluft. Wie sanfte Musik, wie munteres Vogelträllern …
»Ich sagte, ich kann den verdammten Kaffee nicht finden!«
Verliebt bis über beide Ohren, warf sie die Decken beiseite. »Er steht in dem Schrank über dem Herd, du Tölpel! Warte, ich bin gleich unten.«
8. K APITEL
Noch eine Woche Frieden,
Weitere Kostenlose Bücher