Jenseits der Sehnsucht (German Edition)
Bedürfnis zu fliegen, aber sie waren nie eine besondere Herausforderung für ihn gewesen. Unfähig zu widerstehen, fuhr er mit einer Hand über die Kommandokonsole. »Eine echte Schönheit, J. T. Ein neues Modell?«
»Ja, sie ist extra für diese Reise entworfen worden. Wir hielten es für besser, ein paar Änderungen hinsichtlich Hitzeschild und Manövrierfähigkeit vorzunehmen.«
Cals Finger klammerten unwillkürlich um den Steuerknüppel. »Ich würde wahnsinnig gern ausprobieren, was sie alles kann.«
»Von mir aus gerne.«
Cal lachte. »Man würde uns sofort sehen, und am nächsten Tag ständen wir auf der Titelseite des ‚National Enquirer‘.«
»Und das ist was?«
»Du musst diese Dinge mit eigenen Augen sehen.« Nahezu unwillig wandte Cal sich von der Konsole und der Versuchung ab. Wieder konnte er nicht anders, er musste Jacobs Gesicht betrachten. »Himmel, es tut so gut, dich zu sehen.«
»Wie konntest du nur, Cal?«
Cal stieß einen schweren Atemzug aus. »Das ist eine lange Geschichte.«
»Ich habe deinen Bericht gelesen.«
Cal sah ihn fest an. »Manche Dinge passen nicht in einen offiziellen Report. Du hast sie doch gesehen.«
»Ja, habe ich.«
»Ich liebe sie, J. T. Ich könnte dir nicht beschreiben, wie sehr.«
Jacob spürte das Verständnis und wehrte sich dagegen. Er wollte jetzt nicht an Sunny denken. »Wir dachten, du seist tot. Fast sechs Monate lang.«
»Das tut mir leid.«
»Wirklich?« Jacob wandte sich zu der großen Frontscheibe und sah auf den Schnee hinaus. »Fünf Monate und dreiundzwanzig Tage, nachdem du als vermisst gemeldet warst, stürzt dein Schiff ungefähr sechzig Kilometer von der McDowell-Basis entfernt ab. Leer. Aber wir fanden deinen Bericht.« Mit wütendem Blick wirbelte er zu seinem Bruder herum. »Und ich musste zusehen, wie Mom und Dad die ganze Trauer ein zweites Mal durchgemacht haben.«
»Ich wollte euch wissen lassen, wo ich war. Und warum. J. T., ich habe das alles nicht geplant. Du hast die Logbuchaufzeichnungen doch gesehen.«
»Ja.« Seine Wangenmuskeln arbeiteten. »Du müsstest eigentlich tot sein. Ich habe die Wahrscheinlichkeit berechnet, dass du heil und in einem Stück an dem Schwarzen Loch vorbeikommst. Sie lag bei null.« Zum ersten Mal lächelte Jacob. »Du warst schon immer ein Teufelskerl von einem Piloten.«
»Mag sein. Aber das Schicksal lässt sich nun mal nicht mit Computern berechnen.« Er hatte während der letzten Monate lange darüber nachgedacht. »Ich war für Libby bestimmt, J. T. Du kannst das gesamte nächste Jahrtausend ausrechnen, aber eines wird sich nicht ändern. Ich liebe Libby, und ich kann sie nicht allein lassen und zurückkehren.«
Schweigend musterte Jacob seinen Bruder. Was er am meisten verabscheute, war die Tatsache, dass er ihn verstand. Noch vor wenigen Wochen hätte er argumentiert, gestritten, geschrien. Wahrscheinlich hätte er Cal in eine Kabine eingesperrt und ihn nach Hause gebracht, ohne ihm die Wahl zu lassen. »Liebt sie dich auch so sehr?«
Ein dünnes Lächeln erschien auf Cals Gesicht. »Sie hat mich nie gebeten zu bleiben. Im Gegenteil, sie hat alles getan, um mir dabei zu helfen, die Rückreise vorzubereiten. Sie wollte sogar mitkommen. Sie hätte alles für mich aufgegeben.«
»Stattdessen hast du alles für sie aufgegeben.«
»Glaubst du, diese Entscheidung sei mir leicht gefallen?« Aufgeregt fuhr Cal aus dem Sessel hoch. »Es war das Schwerste, was ich je in meinem Leben getan habe. Verflucht, ich wusste nicht einmal, ob das Schiff es überstehen würde, und ich konnte unmöglich ihr Leben riskieren. Ich war bereit, meines für den Rückweg aufs Spiel zu setzen, aber nicht ihres. Hätte ich sie verlassen, dann wäre ich wieder in einem Schwarzen Loch gelandet, und es wäre mir sowieso egal gewesen.«
Jacob wollte nicht verstehen. Aber er verstand. »Ich habe zwei volle Jahre Arbeit in die Perfektionierung von Zeitreisen gesteckt, Cal. Dieses Schiff wurde speziell entworfen, alle Gleichungen sind auskalkuliert. Ich sage nicht, dass nicht noch mehr Arbeit notwendig ist, aber die Wahrscheinlichkeit für ein Gelingen liegt mittlerweile bei 88,57 Prozent. Komm nach Hause, Cal, und bring sie mit.«
Cal starrte mit leerem Blick auf die Kommandoschalter. Er hatte während des letzten Jahres sehr viel gelernt. Die wichtigste Lektion war dabei gewesen, dass das Leben nicht einfach war. Dass Entscheidungen nie leicht zu fällen waren.
»Es gibt noch eine Information, die du nicht bedacht
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