Jenseits Der Unschuld
hatte er vor? Musste er Sofie wirklich begegnen, um zu wissen, dass sie ihn verachtete? Gütiger Himmel, sie hatte seinen Heiratsantrag abgelehnt! Der Gedanke machte ihn immer noch so wütend, dass er am liebsten die Faust durch eine Ziegelmauer geschlagen hätte. Noch immer hatte er das seltsame Gefühl, von ihr benutzt worden zu sein.
Das schlimmste an der Sache aber war, dass ihm der Entschluss, sie zu heiraten, nicht schwergefallen wäre. Wenn er schon heiraten musste, so war Sofie die einzig richtige Wahl. Die Vorstellung, sie zur Ehefrau zu nehmen, hatte ihn nicht erschreckt. Doch Sofie erwies sich als wesentlich eigensinniger und radikaler, als er vermutet hatte. Sie zog es vor, allein zu leben, statt ihn zu heiraten.
Dabei war er der Meinung gewesen, sie sei in ihn verliebt. Welche Überheblichkeit welche Eitelkeit. »Ohne Liebe kann ich nicht heiraten«, hatte sie gesagt. Ihre Worte verfolgten ihn bis heute. Sie hatte ihn damals nicht geliebt.
Sie liebte ihn heute nicht.
Edward passierte die beiden kauernden Steinlöwen, die das Tor des Anwesens bewachten, und ging mit energischen Schritten den Kiesweg auf das Portal zu, vorbei an der hohen, mit bunten Glaskugeln und glitzernden Ketten festlich geschmückten Tanne, deren Wipfel ein funkelnder Stern zierte. Am Portal zögerte er. Dann schlug er den Messingklopfer laut gegen das Eichenpanel. Die Familie würde bei Tisch sein, doch Edward scherte sich nicht darum. Er wollte nur wissen, ob sie glücklich war -und ob sie die Liebesnacht mit ihm vergessen hatte.
Jenson öffnete. Seine Augen weiteten sich erschrocken, ehe er rasch wieder die maskenhafte Butlermiene aufsetzte.
»Sir?« .
»Ist Sofie zu Hause?«
»Ich fürchte nein.«
»Ich glaube Ihnen nicht«, erwiderte Edward mit einem kalten Lächeln. »Sagen Sie ihr bitte, ich möchte sie sprechen.« Sein Puls begann zu rasen.
Jenson nickte und wollte die Tür schließen, doch Edward stellte blitzschnell seinen Fuß dazwischen.
»Sir!« protestierte Jenson entrüstet.
Edward lächelte noch eisiger.
Jenson gab seine Bemühungen auf und wandte sich zum Gehen. Ehe er die Eingangshalle durchquert hatte, war Suzannes Stimme zu hören. »Jenson, wer ist da?« Ihre hohen Absätze klapperten auf den Marmorfliesen.
Edward wappnete sich für die unvermeidliche Begegnung.
Suzanne verharrte bei seinem Anblick. Zorn stieg in ihr auf und verzerrte ihre Gesichtszüge zur hässlichen Fratze.
Sie eilte auf ihn zu. »Was wollen Sie hier?« zischte sie.
Edward, der die Halle vollends betreten hatte, Schloss das Portal hinter sich. »Ich möchte Sofie besuchen. «
Suzanne starrte ihn feindselig an. »Sie ist nicht hier.«
»Ich glaube Ihnen nicht.«
»Sie ist nicht hier!« wiederholte Suzanne triumphierend.
Edwards Herz versteinerte. »Wo ist sie?« fragte er schneidend.
»Sofie ist in Paris, um ihr Kunststudium fortzusetzen, wovon sie stets geträumt hatte.«
Edward konnte es nicht fassen. Sofie war fort, war nach Paris gegangen. Hatte sie ihm nicht immer wieder gesagt, ihr größter Traum sei es, bei den berühmten französischen Malern zu studieren?
Ein Schmerz durchbohrte sein Herz wie ein Messerstich. Er fühlte sich in die Vergangenheit zurückversetzt.
Sofie stand vor ihm. »Ich habe nicht mit dir geschlafen, um dich zu einer Ehe zu zwingen.«
In Edward keimte eine Böse Ahnung auf. Sein Herzschlag drohte auszusetzen. »Du warst Jungfrau. «
»Das ist kein Grund zum Heiraten.«
Er konnte nicht fassen, was sie da sagte. Und dann redete sie weiter, nüchtern und unbeteiligt wie eine Fremde.
»Ich habe nicht den Wunsch zu heiraten, Edward. Hast du das vergessen? Im Mai werde ich volljährig und gehe nach Paris, um mein Kunststudium fortzusetzen. Es tut mir leid ... Ohne Liebe kann ich nicht heiraten.«
»Sie ist glücklich.« Suzannes höhnische Stimme riss ihn aus seiner Erinnerung. »Sie hat mir erst kürzlich geschrieben. Sie hat eine reizende Gesellschafterin gefunden und ihren alten Freund Paul Verault wieder getroffen.
Von der Pariser Künstlergemeinschaft wurde sie mit großer Herzlichkeit aufgenommen. Lassen Sie Sofie in Ruhe!
Sie ist glücklich trotz allem, was Sie ihr angetan haben.«
Edward kniff die Augen zusammen und maß Sofies Mutter mit kalten Blicken. »Mit Sicherheit ist sie glücklich«, entgegnete er, unfähig, seine Bitterkeit zu verbergen. »Natürlich ist sie glücklich in Paris mit ihrer Kunst und ihren Künstlerfreunden. Aber Sie irren sich, wenn Sie denken, ich laufe
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