Jenseits Der Unschuld
ist. Er ist bettelarm!«
Sofie tätschelte Lisas Schultern und zog die Schluchzende in die Arme. »Wer hat dir das gesagt?«
»Ich habe Carmine und Hilary belauscht. In seinem Beisein. Er ist eiskalt! Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er die abscheulichen Anschuldigungen hörte, und fand kein Wort der Erklärung. Er schien darauf zu warten, dass ich etwas sage!«
»Hast du etwas gesagt?«
»Ich fragte ihn, ob es stimmt, was die beiden behaupten. «
Sofie wartete.
Lisa wischte sich die Tränen mit dem Handrücken vom Gesicht. »Er sagte einfach >ja<, nichts weiter als >ja<, kalt und hasserfüllt. Dann zog er mich auf die Terrasse, küsste mich und sagte, ich würde in unserer Ehe auf meine Kosten kommen. O Gott, wie ich ihn hasse! «
Sofie zog Lisa wieder in ihre Anne. Sie war wie vor den Kopf gestoßen. Wie konnte ein Mann so kalt, grausam und voller Verachtung sein. Ein solches Schicksal verdiente keine Frau, schon gar nicht die entzückende, liebenswerte Lisa.
Sofie konnte nachfühlen, wie sehr ihre Schwester litt, sah sich aber auch verpflichtet Lisa zur Vernunft zu bringen.
»Du solltest mit deinem Vater sprechen. Es wäre vernünftiger, wenn Benjamin die Verlobung offiziell löst, Lisa.
Wenn du Hals über Kopf fortläufst, machst du alles nur noch schlimmer.«
»Vater ist von dem Marquis begeistert!« rief Lisa empört. »Es ist sein sehnlichster Wunsch, mich mit einem englischen Aristokraten zu verheiraten. Er wird alles versuchen, um mich umzustimmen, und behaupten, ich rede mir das alles nur ein.« Lisa holte tief Luft. »Du weißt, dass ich Papa nie den Gehorsam verweigert habe. Ich kann nicht mit ihm sprechen, Sofie. Er wird mich zwingen, den Schuft trotzdem zu heiraten.« Lisa nestelte am Verschluss ihres Kleides. »Bitte hilf mir aus dieser grässlichen Robe!«
Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, Lisa zu helfen, und der Überzeugung, dass sie ihren Vater erzürnen und in seinem Entschluss verhärten würde, wenn sie fortlief, knöpfte Sofie ihr das Kleid auf. »Es gibt eine Katastrophe, wenn man dein Verschwinden bemerkt.«
Lisa stieg aus der duftigen Ballrobe, schleuderte sie wütend von sich und schlüpfte in einen Rotweiß gestreiften Seidenrock. »Ich werde den Marquis so gründlich demütigen, dass er sich den Gedanken aus dem Kopf schlägt, mich zu heiraten«, höhnte sie bitter, streifte ein taillenkurzes Jäckchen über und knöpfte es mit fliegenden Fingern zu.
Sofie beobachtete sie. Trotz ihrer geschwollenen, verweinten Augen und der roten Nase sah Lisa entzückend aus.
Der Marquis musste tatsächlich ein Frauenhasser sein sonst würde er Lisa nicht so behandeln. Die bezaubernd Lisa, die noch nie in ihrem Leben einen Menschen gekränkt hatte, verdiente es, auf Händen getragen zu werden. Sofie spürte, dass der Hass des Engländers irgendwie mit seiner dunklen Vergangenheit zu tun haben musste, vielleicht i Zusammenhang mit seiner verstorbenen Frau stand. »Wo hin willst du, Lisa?«
Ihre Schwester lachte schrill. »Wohin wohl? Nach Newport! Jetzt im Herbst ist kein Mensch in dem Nest. Ich schlage ein Fenster ein, um ins Haus zu gelangen. In der Speisekammer finde ich genügend Vorräte ... verhungern werde ich also nicht. Dort verstecke ich mich so lange, bis er nach London abgereist ist. Ach Sofie! Ein besseres Versteck gibt es nicht. Dort sucht mich kein Mensch.«
Sofie war unbehaglich zumute. Wenn nun St. Clare eiskalt auf der Hochzeit bestand? Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken.
Lisä zog den Koffer vom Bett. »jetzt muss ich mich nur noch aus dem Haus schleichen, ohne gesehen zu werden.«
»Wie willst du das anstellen?« fragte Sofie bang.
Lisa lächelte grimmig. »Ich klettere aus dem Fenster und den Baum hinunter.«
»Lisa! Das ist viel zu gefährlich!« rief Sofie entsetzt.
»Mir bleibt keine andere Wahl, Sofie. Ich kann schließlich nicht mit dem Koffer in der Hand durch die Vordertür marschieren. Das Haus ist voller Gäste.« -
Die beiden Mädchen traten ans Fenster und spähten nach unten. Das Zimmer lag im zweiten Stock. Sofie fürchtete, Lisa würde sich den Hals brechen. »Bitte sei vorsichtig«, flehte sie.
»Ich pass' schon auf«, entgegnete Lisa, doch ihre Stimme bebte. Entschlossen trug sie den Koffer zum offenen Fenster und ließ ihn fallen. Dumpf schlug er auf dem Rasen auf. Dann raffte sie den Rock, steckte ihn in den Bund und schwang die Beine über das Fenstersims. »Du bist meine beste Freundin«, sagte sie leise. »Ich liebe dich
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