Jenseits Der Unschuld
muss Ihnen recht geben. Wenn Sie Ihre Verehrer mit derlei fantastischen Flausen vor den Kopf stoßen, besteht diese Gefahr wohl kaum.«
Sofies Wangen brannten noch heißer. Sie fand keine passende Antwort.
Henry war aufgestanden und blickte unstet von einem zum anderen. »Ich fürchte, es ist es Zeit für mich zu gehen.«
Edward stand gleichfalls auf. »Aber wieso die Eile?«
»Wir müssen mit der Sitzung beginnen, Edward«, mahnte Sofie.
Er achtete nicht auf sie. »Vielleicht wollen Sie einen Blick auf Sofies Bilder werfen, ehe Sie gehen?«
Sofie stockte der Atem.
Henry bekam große runde Augen. »Nichts lieber als das. Ja, gern.« Er wandte sich beflissen an Sofie. »Miß O'Neil, wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich mir gern Ihre Bilder ansehen.«
Sofie blieb keine andere Wahl. Ihm die Bitte abzuschlagen wäre der Gipfel der Unhöflichkeit gewesen. In ihrem Herzen aber hätte sie Edward am liebsten erwürgt.
Sofie las völlige Hilflosigkeit in Henrys Blick. Er räusperte sich und wandte sich in gebührender Höflichkeit an sie.
»Sie sind wirklich sehr begabt, Miß O'Neil«, sagte er.
Sie wusste, dass er log, dass er ihre Kunst nicht verstand, dass ihre Bilder nichts in ihm anrührten weder seinen Geist noch seine Gefühle. Sofie lächelte höflich. »Vielen Dank, Mr. Marten.«
»Ich bin natürlich kein Kenner«, fuhr er fort und räusperte sich erneut. »Ich habe diesen Malstil schon einmal gesehen. Italienisch, wie?«
»Die impressionistische Malerei kommt aus Frankreich«, sagte Sofie leise.
»Ja, richtig. Sie sind ebenso gut wie diese Franzosen«, versicherte Henry und wurde zusehends nervöser. »Ehm, ich fürchte, nun wird es wirklich Zeit für mich. Bis morgen also, um vier?«
Sofie nickte und öffnete die, Tür des Ateliers. »Ich bin gleich wieder zurück«, sagte sie über die Schulter in Edwards Richtung.
Sie brachte Henry hinaus, verabschiedete sich von ihm und marschierte zurück ins Atelier. Dort baute sie sich vor Edward auf, die Hände an die Hüften gestemmt. »Was hatte das zu bedeuten?«
Edward setzte ein unschuldiges Lächeln auf. »Verzeihen Sie, was meinen Sie?«
»Sie haben allen Grund, mich um Verzeihung zu bitten!« Sofie schäumte vor Wut. »Sie beschwatzen Henry, mein Atelier zu besuchen - obwohl er keine Ahnung hat und meine Bilder abscheulich findet. Und mir zwingen Sie eine Spazierfahrt mit ihm auf! Was fällt Ihnen eigentlich ein?«
Edward tippte mit dem Finger an ihre Nasenspitze. » Freuen Sie sich denn nicht auf Ihr Rendezvous?«
»Ganz sicher nicht.«
Sein Finger strich hauchzart über ihre Lippen. »Aber begreifen Sie doch«, meinte er leise, »Sie haben einen Verehrer, Sofie, trotz all Ihrer Bemühungen, ihn zu verscheuchen.«
Sofie sah ihn an, verletzt, wütend und fassungslos. Hoffte Edward tatsächlich auf eine Beziehung zwischen ihr und Henry Marten? Wollte er sie unter die Haube bringen? Hatte er gar nicht die Absicht, sie zu verführen und eine Affäre mit ihr zu haben? »Ich will keinen Verehrer, Edward«, stieß sie gepresst hervor. »Und Sie sind nicht mein Vater, der Ausschau nach Heiratskandidaten für mich hält! «
»Nein, ich bin nicht Ihr Vater«, antwortete er beinahe bedauernd. »Aber jemand muss Ihnen doch die Augen öffnen.«
»Wie dreist ... und anmaßend Sie sind!« entrüstete Sofie sich.
»Ich erkläre mich in allen Punkten für schuldig, Sofie«, sagte er leise. »Aber jemand muss sich um Sie kümmern.«
»Und Sie haben sich zu meinem Vormund ernannt?«
»Ja, sozusagen.«
Sie schlug ihm die Hand weg, als er ihre Wange berühren wollte. »Wie hochmütig Sie sind, Edward.«
»Ich bin Ihr Freund.«
Sofie kehrte sich von ihm ab. Beklommen spürte sie, wie er ihr von hinten die Hände auf die Schultern legte und sie an seine Brust zog. »Wieso sind Sie so aufgebracht?«
Die Wahrheit durfte sie ihm nicht gestehen, niemals. Also schüttelte sie nur stumm den Kopf.
»Ich entschuldige mich. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht. Henry ist ein netter Kerl, wenn auch etwas engstirnig in seinen Ansichten. Außerdem ist er nicht in Ihre Kunst vernarrt wie ich.«
»Ach, Edward«, seufzte Sofie. »Sie sind unmöglich. Aber irgendwie finden Sie doch immer wieder den richtigen Ton. Man kann Ihnen einfach nicht böse sein.«
»Ständig trete ich in ein Fettnäpfchen, ich weiß.« Sein Atem hauchte an ihre Wange. Sofie spannte sich an, als er seine Hüften an ihr Gesäß drängte; sie glaubte, eine Bewegung zu spüren. Er drehte sie
Weitere Kostenlose Bücher