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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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wir es gleich machen, solange wir noch Licht haben und meine Energie nicht
    nachgelassen hat.«
    »Und wenn wir dort sind?«
    »Hoffen wir auf eine göttliche Eingebung.«
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    »Die muß von irgendwo kommen«, sagte er. »Und keiner
    von uns hat Götter, oder? Damit habe ich all die Jahre zu tun gehabt. Mit Menschen, die gottlos sind. Und jetzt sind wir es selbst.«
    Sie erinnerte sich, was D'Amour gemeint hatte, als sie ihm sagte, daß sie nicht betete. Etwas darüber, daß Beten sinnvoll war, wenn man wußte, was da draußen ist.
    »Ich werde allmählich zur Gläubigen«, sagte sie.
    »Langsam.«
    »Und woran glauben Sie?«
    »An höhere Mächte«, sagte sie mit einem leicht verlegenen Achselzucken. »Der Schwarm hatte sein höheres Streben.
    Warum sollte ich es nicht haben?«
    »Tatsächlich?« sagte er. »Hat der Schwarm die ›Kunst‹
    gehütet, weil die Essenz erhalten werden mußte? Das glaube ich nicht. Sie hatten nur Angst vor dem, was durchbrechen könnte. Sie waren Wachhunde.«
    »Vielleicht haben ihre Pflichten sie erhoben.«
    »Zu was? Heiligen? Kissoon hat das wenig genützt, nicht?
    Er hat nur sich selbst angebetet. Und die Iad.«
    Das war ein grimmiger Gedanke. Gab es einen perfekteren Kontrapunkt zu D'Amours Gerede vom Glauben an die Geheimnisse als Kissoons Offenbarung, daß alle Religionen Masken für den Schwarm waren; Mittel, um die Hitzköpfigen vom Geheimnis aller Geheimnisse abzuhalten?
    »Ich bekomme Eindrücke«, sagte Jaffe, »von dort, wo Tommy-Ray ist.«
    »Wie ist es?«
    »Immer dunkel«, antwortete Jaffe. »Er war lange Zeit in Bewegung, aber jetzt ist er still. Vielleicht hat sich die Flut gedreht. Ich glaube, etwas kommt aus der Dunkelheit. Oder es ist die Dunkelheit. Ich weiß nicht. Aber es kommt immer näher.«
    »Lassen Sie mich den Augenblick wissen, wenn er etwas 704
    sieht«, sagte Tesla. »Ich möchte Einzelheiten.«
    »Ich will nicht hinsehen, weder mit seinen Augen noch mit meinen.«
    »Vielleicht haben Sie keine andere Wahl. Er ist Ihr Sohn.«
    »Er hat mich immer wieder enttäuscht. Ich schulde ihm überhaupt nichts. Er hat seine Phantome.«
    »Perfekte Familie«, sagte Tesla. »Vater, Sohn und...«
    »... Heiliger Geist«, sagte Jaffe.
    »Ganz recht«, antwortete sie, und wieder fiel ihr ein Echo aus der Vergangenheit ein. »Trinitiy.«
    »Was ist damit?«
    »Davor hatte Kissoon solche Angst.«
    »Der Trinity? Der Dreieinigkeit?«
    »Ja. Als er mich zum ersten Mal in die Schleife holte, hat er diesen Namen fallenlassen. Ich glaube, es war ein Fehler. Als ich ihn damit herausgefordert habe, war er so eingeschüchtert, daß er mich gehen ließ.«
    »Ich habe Kissoon nie für einen Christen gehalten«, bemerkte Jaffe.
    »Ich auch nicht. Vielleicht meinte er einen anderen Gott.
    Oder Götter. Eine Macht, die der Schwarm beschwören konnte. Wo ist das Medaillon?«
    »In meiner Tasche. Sie müssen es selbst herausholen. Meine Hände sind sehr schwach.«
    Er nahm sie aus den Taschen. Im Halbdunkel der Höhle waren die Verstümmelungen schon ekelerregend gewesen, aber hier, im hellen Sonnenlicht, waren sie noch abstoßender, das Fleisch schwarz und eitrig, die Knochen darunter verwesend.
    »Ich verfalle«, sagte er. »Fletcher hat Feuer benützt, ich meine Zähne. Wir sind beide Selbstmörder. Er war nur schneller.«
    Sie griff in seine Tasche und holte das Medaillon heraus.
    »Es scheint Ihnen nichts auszumachen«, sagte sie.
    »Was?«
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    »Daß Sie verfallen.«
    »Nein, das macht mir nichts aus«, gab er zu. »Ich würde gerne sterben. Wie es geschehen wäre, wäre ich in Omaha geblieben und einfach alt geworden. Ich will nicht ewig leben.
    Was hat es für einen Sinn, immer weiter zu leben, wenn man überhaupt nichts begreift?«
    Die Freude, die sie empfunden hatte, als sie das Rätsel des Medaillons gelöst hatte, fiel ihr wieder ein, während sie es studierte. Aber es war auch bei Tageslicht nichts darauf zu sehen, was sie als Trinity - als Dreieinigkeit - interpretieren konnte. Quartette jede Menge. Vier Arme, vier Kreise. Aber keine Trios.
    »Sinnlos«, sagte sie. »Wir könnten Tage damit vergeuden, dahinterzukommen.«
    »Hinter was?« sagte Grillo, der ins Sonnenlicht heraustrat.
    »Trinity«, sagte sie. »Hast du eine Ahnung, was das bedeutet?«
    »Vater, Sohn und...«
    »Außer dem Offensichtlichen.«
    »Dann nein. Keine Ahnung. Warum?«
    »Ich hatte eben eine kleine Hoffnung.«
    »Wie viele Dreieinigkeiten kann es denn geben?« fragte er.
    »Das dürfte doch

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