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Jenseits des Bösen

Jenseits des Bösen

Titel: Jenseits des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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müssen wir uns auf die Lampen verlassen.«
    »Hat schon einmal jemand diese Höhlen erforscht?« fragte Grillo. »Gibt es Karten davon?«
    »Nicht, daß ich wüßte. Fragen Sie besser Hotchkiss. Er ist der Mann in Schwarz da drüben.« Grillo stellte sich erneut vor.
    Hotchkiss war ein großer, grimmiger Mann mit dem faltigen Aussehen von jemand, der viel abgenommen hat.
    »Man hat mir gesagt, daß Sie der Höhlenfachmann sind«, sagte Grillo.
    »Nur durch Zufall«, antwortete Hotchkiss. »Es ist einfach so, daß niemand sie besser kennt.« Er sah Grillo nicht einen Augenblick an, statt dessen glitten seine Augen immer hin und her. »Was unter uns ist... darüber denken die Leute nicht gerne nach.«
    »Aber Sie schon?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben es irgendwie studiert?«
    »Nur als Amateur«, erklärte Hotchkiss. »Es gibt Themen, die packen einen einfach. Das hat mich eben gepackt.«
    »Waren Sie schon selbst unten?«
    Hotchkiss wich von seinem Verhaltensmuster ab und sah Grillo volle zwei Sekunden an, bevor er sagte: »Diese Höhlen waren bis zu diesem Augenblick versiegelt, Mr. Grillo. Ich selbst habe sie vor vielen Jahren versiegeln lassen. Sie waren -
    sind - eine Gefahr für Unschuldige.«
    Unschuldige, dachte Grillo. Was für eine seltsame 191
    Wortwahl.
    »Der Polizist, mit dem ich gesprochen habe...«
    »Spilmont.«
    »Richtig. Er sagte, es gibt Flüsse da unten.«
    »Da unten gibt es eine ganze Welt, Mr. Grillo, über die wir so gut wie nichts wissen. Und die verändert sich ständig. Klar, es gibt Flüsse, aber auch jede Menge anderes. Ganze
    Gattungen, die noch nie das Licht der Sonne gesehen haben.«
    »Klingt nicht sehr fröhlich.«
    »Sie passen sich an«, sagte Hotchkiss. »Wie wir alle. Sie leben mit ihren Beschränkungen. Schließlich leben wir alle auf einer Bruchstelle, die sich jeden Moment auftun könnte. Wir haben uns daran gewöhnt.«
    »Ich versuche, nicht daran zu denken.«
    »Das ist Ihre Methode.«
    »Und Ihre?«
    Hotchkiss lächelte verkniffen und machte dabei halb die Augen zu.
    »Ich habe vor ein paar Jahren überlegt, ob ich den Grove verlassen sollte. Für mich verknüpfen sich... schlimme Erinnerungen damit.«
    »Aber Sie sind geblieben.«
    »Ich habe herausgefunden, daß ich die Summe meiner Kompromisse bin«, antwortete er. »Wenn die Stadt geht, dann gehe ich mit ihr.«
    »Wenn? «
    »Palomo Grove ist auf schlechtem Land gebaut. Der Boden unter unseren Füßen scheint fest zu sein, aber er verschiebt sich ständig.«
    »Also könnte die ganze Stadt den Weg von Buddy Vance gehen? Wollten Sie das damit sagen?«
    »Sie können mich zitieren, wenn Sie meinen Namen nicht nennen.«
    »Einverstanden.«
    192
    »Haben Sie, was Sie brauchen?«
    »Mehr als genug.«
    »Das gibt es nicht«, bemerkte Hotchkiss. »Nicht bei schlechten Nachrichten. Entschuldigen Sie mich, ja?«
    Um die Spalte herum herrschte plötzlich hektische Regsam-keit. Hotchkiss, der Grillo einen Knüller für seine Schlagzeile geliefert hatte, auf die jeder Komiker neidisch sein würde, ging hinüber, um die Bergung von Buddy Vance zu beaufsichtigen.

    Tommy-Ray lag in seinem Zimmer und schwitzte. Er war aus dem Sonnenlicht gekommen, hatte die Fenster zugemacht und die Vorhänge zugezogen. Da er das Zimmer so abschottete, verwandelte es sich in einen Backofen, aber Hitze und Dunkelheit gefielen ihm. In ihrer Umarmung fühlte er sich nicht so allein und entblößt, wie er sich in der hellen, klaren Luft des Grove gefühlt hatte. Hier konnte er seine eigenen Säfte riechen, die aus den Poren quollen; seinen eigenen schalen Atem, der aus seinem Hals kam und sich über sein Gesicht senkte. Wenn Jo-Beth ihn betrogen hatte, mußte er sich eine neue Gesellschaft suchen, und wo sollte er besser anfangen als bei sich selbst?
    Er hatte gehört, wie sie am Nachmittag ins Haus gekommen war und mit Mama gestritten hatte, aber er hatte sich nicht be-müht, den Wortwechsel zu verstehen. Wenn ihre erbärmliche Romanze bereits auseinanderfiel - und was sonst sollte ihr Schluchzen auf der Treppe bedeuten? -, war das ihre eigene verdammte Schuld. Er hatte Wichtigeres zu tun.
    Während er in der Hitze dalag, suchten die seltsamsten Bilder seinen Kopf heim. Sie alle stiegen aus einer Dunkelheit auf, der das abgedunkelte Zimmer nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte. Lag es vielleicht daran, daß sie noch unvollständig waren? Bruchstücke eines Plans, den er
    verzweifelt begreifen wollte, der ihm aber dennoch immer wieder entglitt? Blut

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