Jenseits des Tores
berührt und spürte, daß sie sich wie Reif über ihre eigenen Augen legte .
Hastig blinzelte sie, um das widerwärtige Gefühl auszulöschen. Als sie wieder zu dem Fremden hinsah, entdeckte sie ein Staunen in seinem Blick, das an Erschrecken grenzte.
»Du bist gefeit gegen meinen Einfluß«, entfuhr es Miroc, als seine geistige Knute nicht verfing bei dem Mädchen.
In der nächsten Sekunde schlug sein Unglauben in Entsetzen um! Als das Pestmädchen sich von neuem veränderte!
Nicht in eine fliegende Kreatur diesmal -- sondern in eine blutdürstende Bestie!
*
Lena fühlte sich erneut aller Gewalt über ihren Leib beraubt! Eine andere Kraft riß mühelos die Kontrolle an sich und tat mit ihm, was sie wollte. Sie verformte ihn, konstruierte ihn neu und schuf eine Kreatur daraus, der nur ein Zweck bestimmt sein konnte.
Zu töten!
Auch der Fremde ihr gegenüber, so erkannte Lena durch Augen, die nurmehr Fenster aus einem Kerker waren, veränderte sich - offenbar ähnlich wie sie selbst.
Aber er war zu langsam.
Vielleicht fehlte ihm die Zeitspanne, die ihn die Schrecksekunde gekostet hatte. Vielleicht war er ihr auch nur schlicht nicht gewachsen .
Als Bestie kam Lena über ihn. Ihre zu Klauen verformten Hände schlugen in seinen Leib. Knochen brachen unter ihrer Gewalt, schwarzes Blut benetzte kalt ihre glühende Fratze.
Seine Gegenwehr war kaum der Rede wert, geschweige denn konnte er sich wirksam gegen die Attacken schützen.
Bevor ihm alles Blut aus den Wunden fließen konnte, packte das Monstrum sein Haar und bog ihm den Kopf zurück. Lenas eigener stieß nieder, mit weit geöffnetem Maul. Ihre Lippen preßten sich auf seine Haut, die Kiefer fuhren zu - - und nichts geschah!
Ihre Zähne drangen nicht durch die Haut des anderen. Weil sie stumpf geblieben waren, als einziges nicht der Metamorphose des Leibes anheimgefallen waren.
Lena schrie vor Enttäuschung auf, ohne zu wissen, weshalb. Sie spürte nur einen Durst nach dem, was ihr verwehrt wurde, obgleich ihr vor dem Gedanken, es zu trinken, ekelte.
Etwas anderes schien ihre Hand zu lenken, als sie sich ein wenig erhob und eine Klaue auf jene Stelle setzte, in die sie eben ihre Zähne hatte schlagen wollen. Das dunkle Horn der Kralle bohrte sich in die Schlagader des anderen.
Und dann stürzte sich Lena mit fremder Gier auf den schwarzen Strom, der zäh und dunkel daraus hervorquoll!
Würgend und stöhnend vor Ekel schlürfte sie das Blut aus der Ader - und spürte doch sogleich die wohlige Wärme in ihren Eingeweiden, als es ihre Kehle durchflossen hatte. Ihr Körper schien jeden Tropfen davon zu begrüßen. Lena konnte spüren, wie er sich straffte und die Spuren des vergangenen Darbens tilgte. Nicht zur Gänze zwar, aber doch in einem Maße, das an ein Wunder gemahnte.
Als sie die Ader trockengelegt hatte, richtete sie sich auf.
Wie ohne ihr Zutun legten sich ihre Hände um den Schädel des leergetrunkenen Fremden und drehten ihm das Gesicht mit einem Ruck in den Nacken.
Die Gestalt des Toten veränderte sich unter ihren erschrockenen Blicken. Haut und Heisch wurden zu Staub und Asche, ohne die Form des Leibes gleich aufzugeben. Nach einer Weile wirkte das Gesicht wie aus Sand modelliert. Eine aus dem Nichts kommende Brise löste die Züge schließlich auf und wehte die Überreste fort.
»Was habe ich getan?« entfuhr es ihr flüsternd.
Das Richtige, wisperte es plötzlich in ihr. Lena fuhr erschrocken zusammen. Es war eine fremde Stimme, die ihr geantwortet hatte.
»Ich habe einen ... Vampir getötet«, sagte sie nach einer Weile, in der die Stimme schwieg.
Glücklicherweise, antwortete es ihr zufrieden. Also hatte sie sich nicht getäuscht.
»Wer . bist du?«
Wir werden uns noch kennenlernen. Laß uns gehen.
»Wohin?«
Unserer Bestimmung folgen. »Bestimmung? Welcher Bestimmung?«
Tod allen Vampiren!
*
In den Chroniken der Stadt Helmbrechts steht zu keiner Zeit eine Hinrichtung verzeichnet. Denn die Ereignisse jener Nacht wurden irgendwann gelöscht aus ihrer Geschichte. Die Seiten, auf denen die Ereignisse jener Zeit schriftlich niedergelegt wurden, verschwanden aus den Büchern. Herausgerissen von unbekannter Hand, wie heute noch zu sehen ist.
Dennoch wurden die Dinge jener Nacht weitergetragen von Generation zu Generation, mündlich, bis in die Gegenwart. In der Überlieferung jedoch wurden sie verklärt, und schon bald nach jener Nacht galten sie nur mehr als Sage.
Geblieben ist die Legende über das »Pestmädchen zu
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