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Jenseits des Windes

Jenseits des Windes

Titel: Jenseits des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadine Kühnemann
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Er musste sich sein Geld einteilen. Das Bett, das ihm die Familie für die Nacht zur Verfügung stellte, war nicht einmal ein richtiges Bett, sondern ein Haufen Stroh in einem Stall, über das sie eine Decke geworfen hatten. Wenigstens verlangten sie von ihm keine Bezahlung, lediglich den Hühnerstall musste er ausmisten. Kjoren empfand den Handel als äußerst fair. Ihm wäre jede Arbeit recht gewesen, um seinen dürftigen Vorrat an Geldmünzen zu schonen, aber dennoch wollte er gut schlafen. Allein der Gedanke, dass er den Rest des Weges nach Budford bequem zu Pferd zurücklegen würde – sofern sich Mort zu einem Geschäft herabließ – ließ ihn das unkomfortable Bett im Stroh schnell vergessen. Nach getaner Arbeit sank Kjoren sogleich in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.
    Als er die Augen aufschlug, wusste er, dass er verschlafen hatte. Niemand hatte ihn geweckt. Er war es gewohnt, jeden Morgen von der Trommel zum Morgenappell aus dem Schlaf gerissen zu werden. Und auch während der letzten Woche, als er seine nächtlichen Ruhelager vornehmlich unter freiem Himmel gefunden hatte, war er immer früh aufgewacht, lange bevor die ersten Sonnenstrahlen das Land kitzelten. Doch sein Lager im Stroh war weicher als es aussah, und durch die schmalen Ritze zwischen den Brettern der Scheune fiel nur wenig Licht, das ihm hätte vermitteln können, dass es Zeit zum Aufstehen war. Als er die Tür zur Scheune aufstieß und verschlafen in die bereits hoch am Himmel stehende Sonne blinzelte, schnaufte er wütend. Schlagartig fühlte sich Kjoren vollkommen wach. Er raffte übereilt seine wenigen Habseligkeiten zusammen und verließ den Hof der freundlichen Firunenfamilie, ohne sich von ihnen zu verabschieden. Das schlechte Gewissen nagte an ihm, aber er musste dringend zurück zur Pferdevermietung. Er wollte doch heute Abend schon in Budford sein.
    Schon als Kjoren am Zaun vorüberhastete, bemerkte er, dass Cliff und ein paar andere Tiere nicht mehr an ihrem Platz standen. Die Reihe der Pferde wies einige Lücken auf. Er stürmte zu dem Bretterverschlag hinauf. Der Wind peitschte ihm um den Kopf und blies so stark von der Seite, dass sich Kjoren am Treppengeländer festkrallen musste, um nicht mitgerissen zu werden. Am Tag zuvor hatte der Sturm noch nicht so unerbittlich gewütet. Yels Wetter war launischer als ein altes Waschweib. Aber auch bei gutem Wetter wäre Kjoren nie auf die Idee gekommen, so nahe am Abgrund ein Haus zu bauen. Er bemühte sich, den Blick nicht nach unten zu richten, als er immer drei Stufen auf einmal nehmend die Treppe erklomm. Firunen waren von Natur aus schwindelfrei, die Angst vor der Höhe lag ihnen nicht im Blut, aber das würde ihm nichts nützen, wenn er hinunterstürzte. Er trug das verhasste Halsband, zudem war er nie zuvor geflogen, und wusste seine Magie nicht zu nutzen. Er schluckte seine Bedenken hinunter und hämmerte gegen Morts Tür. Es dauerte, ehe sie sich knarrend öffnete. Als Mort in Kjorens abgehetztes Gesicht blickte, biss er sich auf die Unterlippe, um sein Grinsen zu verbergen.
    »Ach, Sie sind’s. Ich dachte schon, Sie würden nicht wiederkommen.«
    »Ich hatte noch Wichtiges zu erledigen«, presste Kjoren hervor. »Haben Sie es sich überlegt? Würden Sie mir Cliff für einen Tag überlassen?« Kjoren wusste, dass er unhöflich klang, doch das war ihm egal. Er würde Mort ohnehin nie wiedersehen.
    Mort trat aus der Tür heraus auf die Treppe. Er hielt sich am Geländer fest und erhob die Stimme, um das Heulen des Windes zu übertönen. »Es tut mir leid, aber meine Frau hat Cliff heute Morgen mitgenommen. Sie kam gestern Abend spät aus Budford und berichtete, dass sie ihn und einige unserer älteren Tiere zu einem unschlagbaren Preis an einen Schlachthof verkauft hätte. Da konnte ich nicht Nein sagen. Sie musste sehr früh aufbrechen, der Termin, Sie verstehen?« Er kratzte sich am Kopf. »Aber vielleicht überlegen Sie es sich und mieten eines unserer besseren Tiere?«
    Kjoren knurrte. Die Enttäuschung stieg wie eine heiße Blase in ihm auf und platzte jäh. »Nein danke, ich möchte nicht wissen, welchen Preis Sie für die verlangen. Vermutlich könnte ich davon ein ganzes Jahr lang einen privaten Kutscher bezahlen.« Er machte auf dem Absatz kehrt, eine Hand am Geländer, die andere in der Hosentasche zur Faust geballt. Hinter ihm meckerte Mort und über Kjorens Unhöflichkeit, dann fiel die Tür lautstark ins Schloss. Kjoren kochte vor Wut, obwohl den Pferdehändler

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