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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Tag wieder zum Tee einlud. Ihr Mann blieb diesmal fern – nicht jedoch eine Menge Freundinnen aus der deutschen Gemeinschaft, die ihn begeistert in Empfang nahmen.
    Zunächst bezauberte er die Frauen mit seinem Charme, später flocht er in Komplimente Fragen ein, um mehr über die Tätigkeit ihrer Ehemänner zu erfahren – deutsche Kaufleute allesamt, die sich in Valparaíso, Santiago und Concepción angesiedelt und einen Vertrag mit einem deutschen Handelshaus oder einer der englischen Firmen abgeschlossen hatten. Meist waren diese Verträge nur zeitlich begrenzt, und wenn sie ausliefen, machten sich viele in Chile selbständig und holten sich als mögliche Geschäftspartner Freunde und Verwandte aus Deutschland. Man half sich gegenseitig mit Geld und Informationen – und blieb unter sich, um auch fern der Heimat die eigene Kultur zu pflegen. Obwohl Arthur die letzten Monate, die er in der Heimatstadt zugebracht hatte, lieber Kneipen als Opernhäuser besucht hatte, erzählte er nun ausführlich von den Aufführungen Letzterer. Das meiste war entweder übertrieben und gelogen, aber es gefiel den Damen, und Balthasar, der verschmitzt lächelnd zuhörte, ließ ihn nie auffliegen, sondern prägte sich stattdessen die Gesichter der deutschen Kaufmannsfrauen ein, um sie später zu zeichnen.
    Ohne Zweifel – ein paar hübsche waren dabei, doch Arthur ertappte sich während der Teegesellschaften immer öfter dabei, dass er diese geschwätzigen, sorglosen Frauen, zu deren Pflichten einzig gehörte, die Haushaltsführung zu überwachen, sie jedoch weiß Gott nicht selbst zu übernehmen, mit Emilia zu vergleichen. So dankbar er für jede Hilfe war – das oberflächliche Geplauder beschwor unliebsame Erinnerungen an die Teestunden mit den van Sweetens, und er verdrängte sie, indem er sich vorstellte, wieder mit Emilia durch die Steppe zu reiten, frei und ungebunden.
    Wenn er jedoch an das unrühmliche Ende dieses Ausflugs dachte, dann versuchte er auch diesen zu verdrängen – an den Abenden am liebsten damit, dass er die Hafenkneipen von Valparaíso erforschte, schmutzige Orte gemessen an den deutschen Häusern, brutaler und irgendwie auch furchteinflößend. Einmal erschlug unmittelbar neben ihm ein Mann einen anderen, weil der ihm offenbar Geld schuldete – wieder woanders brach eine Hure, schon von Krankheit gezeichnet, mit hohem Fieber zusammen und starb noch in der gleichen Nacht. Seitdem mied er, der ansonsten so gerne mit ihnen lachte und kokettierte, diese Frauen. Die Gattinnen der Deutschen wiederum wagte er auch nicht zu verführen – war er doch auf ihr Wohlwollen angewiesen.
    So verging Woche um Woche, ohne dass er eine Frau hatte, wie Balthasar ihm ebenso genüsslich wie spöttisch vor Augen hielt, und nicht nur diese Tatsache, sondern vor allem, dass er es nicht sonderlich vermisste, brachte ihn ins Grübeln.
    Eines Tages schließlich bat Herr Schmitzke ihn wieder zu sich und machte ihm ein Angebot: Arthur müsse ihm weniger zeigen, wie viel er von der Pharmazie verstand, als dass er fähig war, Waren unbeschadet ans Ziel zu bringen. Wenn er wolle, könne er nun ebendiesen Beweis erbringen. Er stünde nämlich in enger Beziehung mit einer Firma in Buenos Aires, die Apothekerwaren in die ganze Welt lieferte, und dorthin gelte es einige Kisten mit Medikamenten und Verbänden zu transportieren.
    Zu diesem Zeitpunkt war Arthur Valparaíso schon langweilig geworden. Begierig harrte er der Abwechslung und nahm das Angebot dankbar an – noch nicht ahnend, dass Herrn Schmitzke die Schiffsreise nach Buenos Aires zu lange und zu teuer war und er stattdessen von Arthur forderte, den Landweg zu nehmen – eine der mühseligsten Strecken, die es in Südamerika zu überwinden galt und bei der Balthasar ihn unmöglich begleiten würde können.
    Ob der Aussicht, ganz auf sich allein gestellt zu sein, bekam es Arthur ein wenig mit der Angst zu tun, aber er zeigte keine Schwäche. Er war jung, er war gesund, er würde es schaffen. Und er wollte es schaffen – mehr denn je. Immer wieder hielt er sich vor Augen, dass ihn ein ödes Leben in Hamburg erwartete, wenn er scheiterte, wohingegen hier neue Abenteuer winkten, wenn er erst dieses eine bestand.
    So verabschiedete er sich eines Morgens von seinem Vetter, dessen Bedauern, den Freund für einige Wochen, vielleicht Monate, nicht wiederzusehen, sich in Grenzen zu halten schien: Dank der kleinen Apanage, die ihm Arthur Hoffmann senior vererbt hatte, würde ihm

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