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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Atemzug das Gefühl, ihre Nase würde von diesem beißenden Gestank förmlich verätzt werden. Und es war so heiß unter ihrer Decke! Als sie sie zurückschlug, sah sie unter dem Türschlitz nicht nur Rauch ins Zimmer wabern, sondern außerdem einen dunkelroten Lichtschein.
    Wieder reagierte ihr Körper schneller als ihr Geist. Sie sprang auf – seit Wochen, vielleicht sogar Monaten die erste abrupte Bewegung. Der Holzboden war warm, nahezu heiß – und jetzt hörte sie es auch: das Knistern, Krachen, Fauchen des Feuers. Sie stürzte zur Tür, öffnete sie – die Klinke war so heiß, dass sie sich die Hand verbrannte – und war prompt in einer noch dichteren Rauchwolke gefangen. Hustend presste sie sich die Hände vor den Mund, und sie spürte, wie ihre Augen tränten. Doch war sie nun auch blind, so nicht taub: Sie hörte genau, wie das Flammenmeer die Treppe hochkletterte und wie es die Wände des Gangs erfasste, in dem sie stand.
    Die Gäste, schoss es ihr durch den Kopf, die Gäste werden alle verbrennen …
    Dann erst fiel ihr ein, dass sie gerade keine Gäste hatten, weil es so kalt war und kaum ein Schiff anlegte.
    Sie vermeinte, der Kopf müsste ihr zerspringen, als sie den Gang entlanglief.
    »Emilia!«, schrie sie. »Emilia!«
    Sie versuchte, sich zu erinnern, wo sie sie das letzte Mal gesehen hatte. Ana, kam ihr in den Sinn, Ana hatte mit Emilia geredet … unten in der Küche … sie waren mit Juanita zusammengesessen … hatten geplaudert. Gewiss hatten sie sich vor dem Feuer in Sicherheit bringen können.
    Sie lief auf das Fenster am Ende des Gangs zu. Bei jedem Schritt wuchs die Angst, dass der heiße Boden unter ihr nachgeben und sie direkt in das Flammenmeer fallen würde. Schon die heiße Luft schmerzte unerträglich. Wie würde es sich erst anfühlen, wenn die Haut verbrannte?
    »Emilia!«
    Sie riss das Fenster auf, prallte kurz vor der Kälte zurück, aber labte sich sodann an der frischen Luft, die ihr entgegenströmte. Ihre Augen tränten immer noch, aber nun konnte sie sie verschwommen sehen – Ana, die dort unten im Freien stand, und Emilia, die ihr verzweifelt zuschrie: »Rita! Sieh zu, dass du hier rauskommst! Und Aurelia … nimm Aurelia …«
    Die letzten Worte gingen in einem lauten Krachen unter. Irgendwo hatte sich ein Balken von der Decke gelöst und war auf den Boden gestürzt – nicht mehr lange, und das Dach würde sie unter sich begraben.
    Rita drehte sich um, doch nichts drängte zur Eile. Anstatt zu tun, was Emilia ihr zugeschrien hatte, stand sie wie starr da. Das Greinen des Kindes erschien ihr etwas leiser. Eben noch waren die Töne spitz und hoch gewesen, jetzt klangen sie heiser. Wahrscheinlich war seine Kehle ebenso vom Rauch verätzt wie ihre.
    Immer noch rührte Rita sich nicht. Nur mehr eine kurze Weile müsste sie warten und einfach nichts tun, dachte sie, dann wären sie beide tot. Sie und das Kind. Vom Feuer verschluckt, weil sie nicht das Recht hatten, hier zu leben. Sie nicht, weil sie zu einem untergehenden Volk gehörte. Das Kind nicht, weil es aus Hass und Rache und Gewalt hervorgegangen war.
    Ja, dachte sie, wir werden sterben.
    Dieser Gedanke fühlte sich tröstlich an – trotz der Furcht, die ihren Magen weiterhin verkrampfte, trotz Emilias Stimme, die ihr immer noch etwas zuschrie. Anstatt auf sie zu hören, schloss Rita einfach das Fenster, und die Stimme verstummte. Dann war da nur mehr das Weinen des Kindes, das Prasseln des Feuers, ihr eigener erstickter Atem und …
    Eine andere Stimme erklang nun, nicht die von Emilia, aber nicht minder fordernd und eindringlich. Rita fuhr herum und bemerkte erst beim Anblick des brennenden, leeren Gangs, dass diese Stimme nicht aus der Wirklichkeit kam, sondern aus der Erinnerung.
    Es war Anas Stimme, Ana, die immer wieder zu ihr gesagt hatte: Es ist dein Kind. Dein Leben. Nicht ihres.
    Sie wollte es nicht hören, hob die Hände, um sich die Ohren zuzuhalten, und konnte doch nicht anders, als sich aus der Starre zu lösen, über den heißen Gang zu huschen. Sie war sich nicht sicher, was sie da eigentlich tat – floh sie vor dem Feuer oder rannte sie nicht vielmehr in seine heißen Arme?
    Sie war schon beim Zimmer angekommen, als ihr aufging, dass sie dem Schreien des Kindes gefolgt war, das mittlerweile zu einem schwachen Röcheln verkommen war. Und weiterhin trieb eine Stimme sie an, nicht länger die von Ana, sondern eine andere. Sie hieb die Hände noch fester auf ihre Ohren, um ihrem Befehl

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