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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Branntwein hüllte Emilia ein. Als sie das Gesicht des Mannes musterte – verquollen und rotadrig –, kam sie zum Schluss, dass er einer war, dem man besser nicht widersprach. Sie wollte schon zur Antwort ansetzen, ihnen sagen, dass sie eben tun sollten, was sie nicht lassen könnten, um danach schleunigst abzuhauen, als sie plötzlich Anas Griff fühlte. Sie berührte sie nur leicht an den Schultern, sagte nichts und atmete nicht lauter als sonst, doch als Emilia sich zu ihr umdrehte, waren ihre Augen weit aufgerissen und schreckerfüllt. Sie zwinkerte kaum merklich – und was immer das auch zu bedeuten hatte, Emilia wusste sofort, dass sie ihr ein Zeichen geben wollte.
    »Hab’s doch schon gesagt«, fuhr sie die Männer ungleich herrischer an, als ihr zumute war, »hier fehlen keine Schafe – hier gibt’s also auch keine Diebe, und falls doch, dann kümmere ich mich selbst darum. Es ist mein Grund und Boden, ihr habt hier nichts verloren.«
    Kurz senkte sich Schweigen über sie. Der eine verharrte auf der Schwelle, ein anderer scharrte weiterhin in der Erde, ein weiterer hielt ihr wieder die Fackel ins Gesicht. Emilias Backen röteten sich unter der Hitze des Feuers, und der ätzende Rauch brannte in der Kehle, aber sie zuckte nicht zurück, sondern blieb breitbeinig stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. Weiter hinten im Patio glaubte sie eine Bewegung auszumachen. Vielleicht waren es nicht nur vier Männer, sondern viel mehr, die sie heimsuchten – noch von der Dunkelheit verborgen, aber bereit, die Estancia zu stürmen.
    »Und wenn ihr denkt, ihr könnt zwei schutzlose Frauen notfalls euren Willen aufzwingen, habt ihr euch geirrt«, bellte Emilia schrill, noch ehe sich einer regte. »Meine ganze Wohnstube ist voller Männer. Der schottische Aufseher schläft mit seinen Hunden nebenan.« Das war gelogen, aber das konnten die Männer nicht wissen.
    Sie vermeinte, die Anspannung fast körperlich zu spüren, die über ihnen allen lag. Dann endlich wurde die Fackel gesenkt, und der Mann nahm seinen Fuß von der Schwelle.
    »Ist ja schon gut.« Es klang gereizt, doch er gab den anderen das Signal zum Rückzug.
    Wenig später saßen sie alle wieder in ihrem Sattel und zogen zwar mit verdrießlichem Gesicht, aber ohne zu zögern, ab.
    Emilia stieß Anas Hand weg, packte sie nun ihrerseits und zog sie in den Gang: »Du sagst mir jetzt sofort, was los ist«, herrschte sie sie ohne Umschweife an.
    Ana wich ihrem Blick aus. Nachdem die Männer fortgeritten waren, hatte sie hörbar ausgeatmet, doch seitdem war ihr kein weiterer Ton über die Lippen gekommen.
    Emilia schüttelte sie ungeduldig: »Du weißt, dass du mir vertrauen kannst. Doch ich will dir auch vertrauen können.«
    Ana kaute verlegen auf ihren Lippen herum, ehe sie schließlich hervorpresste: »Ich habe es euch nur verheimlicht, um euch zu schützen.«
    »Was verheimlicht?«
    »Ich … ich dachte, wenn seine Verletzungen geheilt sind, dann verschwindet er wieder, und ihr hättet nichts bemerkt. Und die Verletzungen sind ja auch schnell geheilt. Er wollte nur mehr bis morgen …«
    »Wer?«, fragte Emilia, obwohl sie es ahnte.
    Ana senkte den Blick. »Ich wollte euch wirklich nicht in Schwierigkeiten bringen.«
    »Du hast einem Schafdieb Unterschlupf geboten«, stellte Emilia fest und unterdrückte die Angst, die ihr kalt die Kehle hochstieg.
    »Er ist kein Schafdieb!«, rief Ana energisch. »Er ist einer der Indianer, von denen Don Andrea erzählt hat. Ein Tehuelche. Man hat … man hat offenbar versucht, seinen ganzen Stamm auszurotten, und er hat als Einziger überlebt. Man hat auf ihn geschossen, aber die Kugel hat ihn nur gestreift. Emilia, du glaubst doch nicht ernsthaft, dass diese Männer hinter Schafdieben her sind! Das wäre unser Problem – nicht ihres. Nein, sie wollen die Indianer ausrotten, um deren Land zu bekommen!«
    Emilias Miene blieb abweisend, obwohl dieses Vorgehen sie tief empörte. Trotzdem wollte sie nicht darüber nachdenken, warum sich jemand auf ihrer Estancia versteckte und wie berechtigt das war – sie wollte keine Probleme bekommen.
    »Hast du nicht erzählt, was einst Rita und ihrer Familie widerfahren ist?«, drängte Ana.
    »Ich will ihn sehen, sofort«, erklärte Emilia schroff und ließ sich ihre Gefühle nicht anmerken. »Und dann entscheide ich, was zu tun ist.«
    Mit gerecktem Kinn folgte sie Ana nach draußen und wollte weder zugeben, dass sie sich nicht als Herrin der Lage fühlte, noch dass es

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