Jenseits von Feuerland: Roman
schon am ersten Morgen fest.
»Von wegen!« Arthur plusterte sich auf. »Sie hat mir damals genau zu verstehen gegeben, was sie von mir hält. Glaubst du wirklich, ich habe danach noch einen Gedanken an sie verschwendet?«
Tatsächlich hatte er das meist vermieden, hatte jede Erinnerung, die aufstieg, sofort verdrängt. Nur manchmal war Emilia in seinen Träumen aufgetaucht, und wenn er am Morgen voller Verlangen und zugleich voller Trauer erwacht war, hatte er sich geschämt. Als Zeichen von Schwäche wertete er diese Träume, und sie waren ihm ebenso lästig wie die Sehnsucht, die ihn danach für Tage nicht losließ: Nicht nur Emilia galt sie, sondern einer Zeit, da er, ohne nachzudenken, durchs Leben gelaufen war, ohne Verantwortung, ohne Pflichten. Natürlich wäre es ihm freigestanden, dieses Leben wieder aufzunehmen – doch aus irgendeinem Grund konnte er das nicht, und in schwachen, sehr schwachen Stunden, kam ihm der Verdacht, ob das nicht zuletzt mit Emilia zu tun hatte und ob die Begegnung mit ihr seine Sicht auf das Leben für immer verändert hatte. Nicht nur rastloser war er, sondern verantwortungsbewusster und ehrgeiziger – und manchmal erschienen ihm dies keine guten Eigenschaften zu sein, sondern eine Krankheit, mit der ihn Emilia angesteckt hatte.
»Gib’s zu«, lachte Balthasar. »Du genießt es doch, ihr Retter in der Not zu sein.«
»Wofür sie mir im Übrigen noch nicht gedankt hat!«, sagte er mit einem trotzigen Tonfall, der ihm fremd geworden war.
»Sie hat dich eingeladen, ihr Gast zu sein – das ist ihre Art, dir zu danken.«
Arthur musste plötzlich grinsen. Ja, diesmal konnte sie ihn nicht so einfach fortschicken; diesmal konnte sie nicht offen zugeben, wie lästig er ihr war – schließlich hatte er sein Leben für sie eingesetzt.
Seine Befriedigung währte jedoch nicht sonderlich lange. Gegenüber Balthasar hatte er geleugnet, irgendetwas von Emilia zu erwarten, doch als er sich am ersten Tag zum Frühstück setzte, machte er sich insgeheim auf das übliche Geplänkel, das schnell in ein Scharmützel ausarten würde, gefasst und freute sich insgeheim darauf. Doch Emilia war gar nicht da, sondern seit den frühen Morgenstunden unterwegs, um die zerstörten Zäune zu reparieren. Das behauptete zumindest ein gewisser Don Andrea, dem der Schrecken von der letzten Nacht noch in allen Gliedern saß und der davon offenbar so gelähmt war, dass er nicht zurück in seine Mission kehren konnte.
Arthur nahm sich vom Porridge, der auf dem Herd stand, würgte ihn schnell hinunter und ging dann nach draußen, um nach Emilia Ausschau zu halten. Im hellen Morgenlicht waren alle Spuren des Kampfes deutlich sichtbar: Mehrere Kugeln waren gegen die Hauswand geprallt und hatten dort kleine Löcher hinterlassen. Nicht nur Zäune waren niedergerissen worden, sondern auch ein Teil des Stalls und ein Schuppen. Eben wurden im Patio die toten Schafe zusammengetragen.
Schon aus der Ferne hörte er, wie Emilia laute Befehle erteilte – offenbar an die Männer, die mit Pedro gekommen waren, während Pedro selbst wie ein fetter Kloß an ihrer Seite stand und nichts tat, außer immer wieder seine Großtat von gestern Abend zu beschwören. Aus seinem Mund klang es so, als hätte er allein ein Dutzend mordlüsterner Wilder vertrieben. Nicht minder eifrig wie Emilia arbeiteten auch Ana und dieser Tehuelche daran, die toten Tiere beiseitezuschaffen, das zerstörte Holz zu sammeln, umgekippte Futtertröge wieder aufzurichten und Zaunpfähle in den Boden zu schlagen. Rita machte sich gerade an der Wolle zu schaffen, Balthasar an einem Wassertrog, der eine Kugel abbekommen hatte und leckte.
Angelegentlich trat Arthur zu Emilia. »Kann ich etwas für dich tun?«, fragte er gönnerhaft.
Sie tat ihm nicht einmal den Gefallen, ihn ausführlicher zu mustern. »Gar nichts«, erklärte sie knapp. »Ich hab in den letzten Jahren immer alles allein geschafft.«
»Soso«, murmelte er, und seine Stimme wurde bissig. »Du hast es allein geschafft. So wie du gestern Abend ganz allein die Angreifer vertrieben hast?«
Ihre Kiefer mahlten. »Ich hätte mich zu verteidigen gewusst.«
»Und was, wenn euch die Gewehrkugeln ausgegangen wären?«
Er schien einen wunden Punkt zu berühren, denn sanfte Röte überzog ihr Gesicht, doch anstatt den Triumph auszukosten, senkte er verlegen den Blick. Gestern in der Finsternis war es nicht so offenkundig gewesen, aber nun ging ihm – obwohl er sich dagegen wehrte –
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