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Jenseits von Feuerland: Roman

Jenseits von Feuerland: Roman

Titel: Jenseits von Feuerland: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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zögernd den Blick.
    »Ich möchte heute Abend gerne Fisch servieren – und werde darum angeln gehen. Vielleicht haben Sie … vielleicht hast du«, erst vorgestern Abend waren sie dazu übergegangen, sich zu duzen, und diese Vertraulichkeit fiel ihr immer noch schwer, »vielleicht hast du Lust, mich zu begleiten?«
    Er blickte überrascht, und kurz befürchtete sie, es zu weit getrieben zu haben. Aber seine Unsicherheit rührte nicht vom Vorschlag, ihn zu begleiten. »Fische?«, fragte er irritiert. »Du willst selber Fische fangen? Etwa im Meer?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt kleine Lagunen rund um Punta Arenas, und dort gibt es herrliche Fische. Es wäre eine Abwechslung zur üblichen Kost.« Als sie sah, dass er nach wie vor zögerte, setzte sie hinzu: »Sobald man die Stadt verlässt, ist das Land sehr einsam. Ich … ich … ich hätte gerne männliche Begleitung.«
    Sie stammelte mit Absicht. Ganz am Anfang hatte sie noch befürchtet, es wäre zu übertrieben und er würde sie durchschauen. Unmöglich konnte er so dumm sein, den plötzlichen Wandel von der schrillen, strengen Wirtin zum zaghaften, scheuen Mädchen hinzunehmen!
    Doch auf seine Eitelkeit und seinen männlichen Stolz war Verlass, und beides bewog ihn auch jetzt, sein gönnerhaftes Lächeln aufzusetzen. »Aber natürlich kann ich dich begleiten, wenn du es so gerne möchtest. Ich werde mich rasch ankleiden.«
    Emilia nickte dankbar und schloss die Tür. Kaum stand sie allein im Flur, musste sie grinsen. Sein dreistes Lächeln würde ihm schon noch vergehen! Wahrscheinlich prahlte er nun vor seinem hässlichen Freund damit, dass er sie spätestens heute Nacht kriegen würde, aber da hatte er sich gründlich geirrt!
    Eine Stunde später ließen sie Punta Arenas hinter sich. Er hatte gefragt, welche Richtung sie nehmen würden und wie weit sie reiten müssten, doch sie hatte nur knapp bekundet: »Lass dich einfach überraschen.« Damit hatte er sich zufriedengegeben und folgte ihr nun mit siegesgewissem Blick.
    Sie hatte vorgegeben, dass die beiden Pferde, auf denen sie ritten, ihr gehörten – in Wahrheit hatte sie sie von einem der Gäste ausgeliehen. Lange hatte ihr Plan an ebendiesem Detail zu scheitern gedroht, denn sie hatte nicht gewusst, wie sie Arthur am besten aus der Stadt locken sollte. Doch das scheue Lächeln, das sie bei ihm aufsetzte, hatte bei besagtem Gast Gleiches bewirkt: gönnerhafte Hilfsbereitschaft. Das Einzige, was sie jetzt noch zu befürchten hatte, war, dass Arthur ihr ansah, wie lange sie nicht mehr geritten war – nämlich seit dem Tag, da sie im Hafen von Corral angekommen waren. Doch er war wohl zu sehr mit der Überlegung beschäftigt, wie er sie verführen konnte, dass ihm entging, wie ängstlich sie sich an die Zügel klammerte und wie unwohl sie sich auf dem Pferderücken fühlte. Nach einer Weile wuchs ihr Vertrauen, sich im Sattel halten zu können, und nachdem sie die letzten Häuser der Stadt hinter sich gelassen hatten, betrachtete sie neugierig das Land, das ihr weitgehend fremd geblieben war.
    Es war völlig flach, der Blick auf die endlose Weite des Horizonts nur dann und wann von kargen Baumgruppen verstellt. Sie ritten über gekrümmte Sträucher hinweg, Sand, gelbliches Gras und dorniges Unkraut – jedoch nichts, was auch nur annähernd an die saftigen Wiesen rund um den Llanquihue-See erinnerte. Nur die Wälder versprachen eine Ahnung von Grün, doch die Bäume waren niedrig und dürr und hatten nichts mit den duftenden Araukarien ihrer Heimat gemein. In einen dieser Wälder leitete sie ihr Pferd. Noch in ihrem ersten Jahr in Punta Arenas hatte sie herausgefunden, dass es dort viele salzhaltige Lagunen gab und regelmäßig Händler dorthin aufbrachen, um das Salz zu gewinnen. Zweimal hatte sie selbst mit Ana den wegen Wind und Sonne beschwerlichen Fußweg zurückgelegt, um das Salz billiger zu bekommen als in Punta Arenas, doch am Ende hatte sie befunden, dass dies denn doch zu viel Mühe für die wenigen ersparten Centavos sei.
    Nun, heute war sie nicht wegen des Salzes hier, heute hatte sie andere Pläne.
    Sie verbiss sich ein Lächeln und drehte sich zu Arthur um.
    »So karg diese Einöde auf den ersten Blick auch ist«, stellte er fest, »sie ist nicht ohne Leben.«
    Sie folgte seinem Blick und nahm sie nun ebenfalls wahr – die rosa Flamingos und die grauen Enten, die die Lagunen bevölkerten, die Trappen und Guanotölpel, die über ihren Köpfen kreischten und die aus dem

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