Jenseits von Uedem
eine Büroklammer vom Boden auf und lehnte sich an die Fensterbank. »Laßt uns mal versuchen, ein bißchen Ordnung in die ganze Sache zu bringen.«
Die heutigen Gespräche hatten nichts Wichtiges ergeben, und bis auf Dr. Grootens hatten sie alle Angestellten des Heims befragt. Die beiden Therapeuten wußten nichts von te Laak, interessierten sich sowieso nicht besonders für den Altenheimbetrieb, wie es schien. Sie hatten die Therapieräume mit dem Hallenbad von der Stiftung angemietet und nutzten sie hauptsächlich für Patienten von außerhalb: für Infarktgruppen, Uedemer Senioren, für Schwangerschaftsgymnastik und -schwimmen. Auch Toppes Unterhaltung mit der Köchin hatte nichts gebracht.
»Aber wir haben ja noch diese Aufzeichnungen vom Köster ...« meinte Heinrichs.
»Na und?« sagte van Appeldorn. »Die mögen ja einen gewissen kabarettistischen Wert haben, aber sonst sind die wohl kaum zu gebrauchen.«
»Ich weiß es nicht, ich hab' so das Gefühl ...«
»Steht da was über te Laak drin?« schnitt ihm van Appeldorn das Wort ab.
»Gefunden habe ich noch nichts, aber ich habe ja auch erst gerade angefangen zu sichten.«
Astrid stand immer noch neben dem Drucker, legte Papier ein und sortierte die fertigen Blätter.
»Das mit Frau Heuvelmann und dem Schöningh«, drehte sie sich zu Heinrichs um. »Wenn das stimmt, das wäre ein Ding!«
»So was kommt in den besten Familien vor«, brummte Heinrichs nur.
»Ja, ja, ich überlege nur die ganze Zeit, ob die überhaupt weiß, von wem sie schwanger ist.«
»Das interessiert uns doch gar nicht«, meinte van Appeldorn, »obwohl .«
»Doch«, erwiderte Astrid. »Wir wissen ja nicht, was te Laak mit den Informationen von diesem Köster angefangen hat. Vielleicht hat er dem Schöningh ja gesagt, daß er Bescheid weiß, oder der Johanna Heuvelmann.«
»Eben«, murmelte Toppe und bog eine Büroklammer auseinander. »Wo man hinguckt herrliche Motive, te Laak unter die Erde zu bringen.«
Der Drucker spuckte ein Blatt aus und gab ein letztes schrilles Zirpen von sich.
»So«, sagte Astrid. »Von wegen Mordmotive. Jetzt kommt ein echter Hammer.«
Aber in diesem Moment wurde ganz leise die Tür aufgeschoben und in Höhe der Türklinke erschien Ackermanns Kopf.
»Ein echter Hammer«, bestätigte van Appeldorn.
»Wat macht ihr denn hier?« blinzelte Ackermann angestrengt durch seine dicke Brille und schlug sich dann mit der Hand auf den Mund. »Boa, wat sieht dat hier aus!«
»Gibt's einen besonderen Grund für deine Anwesenheit?« fragte van Appeldorn.
»Sicher doch, Norbert«, nickte Ackermann friedlich. »Ich war in euerm Altersheim. Et is' ja doch komisch, wa? Ich sach ja immer, alles hinter Uedem is' schon feindliches Ausland. Da hört ja der Niederrhein quasi auf. Ich weiß et nich', aber irgendwie is' dat ja schon 'n anderer Menschenschlach.«
Er ließ sich aufs Sofa plumpsen und fing an, sich eine Zigarette zu rollen. Den letzten Kick gab er ihr mit einem virtuosen einhändigen Dreh auf dem linken Oberschenkel. Ein paar Akten habe er »konfisziert« - »mühsam ernährt sich dat Eichhorn« -, und er wolle sie auch heute noch durcharbeiten.
»Die Holbe is' 'n harter Brocken, zugeknöpft wie 'ne Nonne. Aber dat hat man ja schon ma' leicht bei die Nordlichter. Die kommt aus Hamburg, wußtet ihr dat? Aber man hat ja so seine Tricks drauf mit den Jahren. Die hat da nämlich 'ne Tante zu wohnen. Ach, dat wißt ihr schon? Ja, Gott!«
Er hatte sich anscheinend lange mit Frau Herrweg unterhalten. »Interessiert euch dat überhaupt?«
Toppe bot ihm einen Kaffee an. Ackermann strahlte über das ganze Schratgesicht. »Milch habter wohl keine da? Na, macht nix. Schwarzer Kaffee soll ja schön machen. Also wat ich sagen wollt': die is' vielleicht wat rumgeschubst worden als Kind, die Holbe!«
Als Susanne Holbe neun Monate alt war, war ihre Mutter gestorben, und sie wurde zu den Großeltern gegeben. Dann hatte ihr Vater wieder geheiratet und das Kind zu sich genommen. Die Ehe scheiterte, und Susanne kam zu ihrer Tante nach Uedem. Dort blieb sie drei Jahre lang.
»Da war dat Haus Ley noch 'n Bauernhof, un' der Onkel hat auch noch gelebt. Dann hat der Vater noch mal geheiratet, 'ne Witwe mit drei Kindern. Susanne also wieder nach Hamburg zurück, erst bei dem Vater, dann innen Internat, wohl so 'n ganz heiliges, wie ich dat rausgehört hab'. Mehr so zwischen de Zeilen. Ihr kennt dat ja.«
»Worauf willst du eigentlich hinaus, Ackermann?« unterbrach ihn van
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