Jenseits von Uedem
die Raben, indem er wild mit den Armen ruderte. Für einen Moment schlug er die Augen auf und erkannte die Hausdame. Sie lächelte und streichelte seine Hand.
Gott stand im Zimmer. Er war gekommen.
»Ich bin da, Otto. Wir gehen gemeinsam.« Mit seiner schlanken Hand wies er auf das Kristallschloß am Ende des Regenbogens.
Welch wundervolle Wärme und was für ein Licht! Heller als hell und so sanft.
»Komm, Otto, nimm meine Hand. Du hast es geschafft. Heute mußt du nicht in deinen Körper zurück.«
»Schnappatmung«, sagte die Schwester.
Susanne Holbe nickte wieder. »Ein paar Stunden höchstens noch. Bleiben Sie bei ihm. Ich sage kurz meiner Tante Bescheid, daß ich heute keine Zeit habe, dann löse ich Sie ab. Wir wollen ihn nicht allein lassen.«
»Neues Hauptquartier«, stellte van Gemmern fest, und man ahnte ein Lächeln.
Er würde sie zu Braun begleiten und ließ sich schweigend erzählen, um was es ging.
»Alles klar«, meinte er schließlich. »Ich wollte übrigens sowieso gerade zu euch. Wir haben nämlich gestern te Laaks Auto auf den Kopf gestellt. Hier ist der Bericht. Ich finde das Ergebnis nicht besonders vielversprechend, aber nun gut.«
Heinrichs überflog das Papier.
Van Gemmern zog ein Foto aus der Tasche. »Und ein Bild vom Mauritiushanf habe ich auch aufgetrieben.«
Van Appeldorn und Toppe beugten sich über das Foto.
»Ach, guck mal an«, pfiff van Appeldorn. »Das Ding kennen wir doch; bloß eine Nummer kleiner.«
»Hm, hm«, bestätigte Toppe. »Steht gleich am Eingang vom Wintergarten.«
»Dann hat Schöningh die Wahrheit gesagt!« rief Astrid. »Te Laak war am Samstag im Haus Ley.«
»Ja, ja«, meinte Toppe beschwichtigend. »Gegen halb drei jedenfalls. Laßt uns losfahren. Den Durchsuchungsbeschluß können wir auf dem Weg an der Burg abholen.«
Heinrichs warf einen nachdenklichen Blick auf das Foto. Dann drehte er sich abrupt um, ging zum Schreibtisch zurück, zog ein paar Bücher aus den Stapeln und begann, wild hin und her zu blättern. Dabei murmelte er Lateinisches vor sich hin.
»Ich Rindvieh«, bollerte er. »Da wäre mir doch beinahe was durch gegangen.«
Er strahlte zufrieden in die Runde. »Also, ich muß morgen auf jeden Fall noch mal nach Uedem!«
19
Van Gemmern zog die Gummihandschuhe aus, sah zu Toppe hinüber und zeigte mit dem Daumen nach unten. Toppe nickte nur. Georg Brauns Labor war sauber. An die Wand gelehnt, die Beine locker gekreuzt, stand der Apotheker mit van Appeldorn auf dem Kellergang und wartete. Der Durchsuchungsbeschluß, mit dem sie ihn aus seiner Mittagsruhe geklingelt hatten, war ihm lediglich ein Achselzucken wert gewesen. Gnädig hatte er sich bereit erklärt, sie zur Apotheke zu begleiten, hatte sie in den Keller geführt und ihnen gezeigt, wo er Salben rührte und Pülverchen mischte. Keine ihrer Fragen brachte ihn aus der Ruhe. Er antwortete selbstbewußt mit präzisen Formulierungen, ließ sie gleichzeitig Herablassung spüren. Bedauerlich, daß er doch kein Alibi habe, aber leider nicht zu ändern. Natürlich kenne er Dr. Grootens; sie spielten seit Jahren Golf miteinander, und man träfe sich gelegentlich auch privat. Martin Grootens und Drogen? Einfach lächerlich! Über te Laak habe er doch schon beim letzten Mal alles gesagt, was er wisse. Er habe den Mann zum ersten Mal in seinem Leben gesehen, als der im Auftrag seines Bruders zu ihm gekommen sei. Vorher habe er nicht einmal gewußt, daß es in Kleve eine Privatdetektei gäbe. Knollenblätterpilz? Da sei ihm nicht einmal eine homöopathische Anwendung bekannt.
Er blieb distanziert, verlor kein Wort zuviel, bemühte sich nicht ein einziges Mal um ein Lächeln, eine freundliche Bemerkung.
Van Gemmern griff sich seine schwarze Tasche und ging wortlos an van Appeldorn und dem Apotheker vorbei nach oben. Braun stieß sich von der Wand ab.
»War das jetzt alles?«
»Für heute ja«, sagte Toppe und wandte sich zur Treppe.
»Auf Wiedersehen.«
Braun nickte nur kühl und schloß die Tür zum Labor ab.
Die drei Polizisten gingen den Gerwin hinunter zur Stadthalle, wo Toppe seinen Wagen geparkt hatte.
»Bemerkenswert ist höchstens, wie aufgeräumt das Labor war«, murmelte van Gemmern.
»Wir können dem gar nichts«, sagte Toppe. »Solange wir nicht mit Grootens und dieser Familie Jansen gesprochen haben jedenfalls.«
»Wir können ihm die Drogenjungs auf die Bude schicken«, meinte van Appeldorn böse.
»Und?« fragte Toppe. »Was haben wir davon?«
Astrid und
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