Jenseits von Uedem
Heinrichs waren nicht da, aber an Stasis edler Schreibtischlampe klebte eine Nachricht . Helmut! Bitte Deine Frau zurückrufen. Astrid.
Gabis Stimme klang so alltäglich wie früher. »Könnten die Kinder wohl heute bei dir übernachten?«
»Ja, sicher, kein Problem.«
»Ich habe nämlich eine Einladung ins Kabarett, und da wird es sicher spät. Ich will die Jungs nicht alleine lassen, und meine Mutter hat im Moment genug um die Ohren.«
»Wieso? Ist was passiert?«
»Ja, Papa hatte einen leichten Schlaganfall.«
»Liegt er im Krankenhaus?«
»Nein, nein, er ist zu Hause, aber Mutti muß die ganze Zeit dabei bleiben.«
Toppe fiel nichts ein.
»Mist«, sagte er schließlich. »Ich kann so Viertel nach sechs, halb sieben zu Hause sein. Reicht das?«
»Viertel nach sechs wäre besser.«
»Okay, sie sollen ihre Schlafsäcke und unsere Luftmatratzen mitbringen.«
»Prima, danke! Ich hole sie dann morgen früh ab.«
»Komm doch zum Frühstück«, sagte er, ohne lange zu überlegen.
»Mal gucken«, meinte sie nur.
Er konnte es sich nicht verkneifen: »Mit wem gehst du eigentlich aus?«
»Mit meiner Chefin und zwei Arztkollegen.« Er hörte, daß sie lächelte. »Aber eigentlich geht dich das gar nichts an.«
»Stimmt.«
Sie verabschiedeten sich wie zwei alte Bekannte.
Zwei Kollegen, dachte er. Für jede einen.
Johanna Heuvelmann setzte sich auf die Stuhlkante, legte ihre Handtasche in den Schoß und sah sich beklommen im grauen Vernehmungszimmer um.
Heinrichs war ungewöhnlich reserviert, richtete das Mikrofon aus, machte eine Sprechprobe. Frau Heuvelmann mußte sich zweimal räuspern, bis ihre Stimme Ton bekam.
Astrid legte ihren Zettel mit den Fragen vor sich auf den Tisch, lächelte Frau Heuvelmann beruhigend zu, schlug die Beine übereinander und fing an. Schon bei der Aufnahme der Personalien begann Johanna Heuvelmann zu schluchzen, und Heinrichs zückte seinen Block, um sicherheitshalber Notizen zu machen; die Aufnahmequalität würde miserabel sein.
»Wir wissen, daß Sie immer noch ein Verhältnis mit Manfred Schöningh haben.«
»Ich liebe meinen Mann«, weinte Johanna laut. »Ich liebe ihn über alles.«
Astrid wartete, bis sie sich die Tränen abgewischt hatte.
»Ich komme nicht los von Manfred. Ich schaff es einfach nicht! Dabei hat er immer ... früher, als wir noch fest zusammen gingen . er hat immer noch andere gehabt. Aber ich schaffe es nicht . wir schaffen es beide nicht ... er auch nicht ... er ist ...« Das Stammeln war nicht mehr zu verstehen. Sie schnaubte sich die Nase. »Und dann hab' ich Jakob geheiratet ... ich hab' gedacht, ich wär' geheilt, aber Manfred läßt mich . er ist immer da . er braucht mich auch . ich .«
»Und Ihr Kind?« fragte Astrid. »Wer ist der Vater?«
Heinrichs schaltete das Bandgerät ab. Es dauerte gute fünf Minuten, bis Johanna Heuvelmann wieder sprechen konnte.
»Ich weiß es nicht. Es macht mich ganz krank.« Sie starrte das Mikrofon an. »Jakob tut sich was an«, flüsterte sie.
»Von uns wird ihr Mann es nicht erfahren«, sagte Astrid. »Te Laak hat also gewußt, daß Sie noch immer ein Verhältnis mit Schöningh haben?«
»Der Detektiv? Nein, wieso? Was hat der damit zu tun?«
Ihre Verwunderung war nicht gespielt.
»Jemand hat te Laak von Ihrer Beziehung erzählt.«
»Das kann doch nicht sein! Das weiß doch keiner!« rief sie panisch. »Wir haben doch immer aufgepaßt.«
Heinrichs fühlte sich abgestoßen. »Bis daß der Tod euch scheidet«; das Gelübde war ihm heilig, und er hatte so lange mit dem Heiraten gewartet, bis er sicher war, die Richtige gefunden zu haben. »In guten wie in schlechten Tagen« fühlte er sich in seiner Ehe geborgen.
»Ich möchte jetzt noch einmal auf Ihre beiden Pferde kommen«, machte Astrid weiter. »Was ist denn an den Abenden nun wirklich passiert?«
Johannas Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Es war Manfred«, sagte sie tonlos.
»Waren Sie dabei?«
»Nein!« rief sie.
»Aber Sie haben ihn beobachtet.«
»Nicht, als er es getan hat. Ich weiß, daß er es war. Er war nicht bei mir in der Küche, er war im Stall. Außerdem«, fügte sie leise hinzu, »habe ich den Fäustling in seiner Parkatasche gesehen.«
Jetzt kamen Astrids Fragen wie aus der Pistole geschossen, und Johanna Heuvelmann blieb keine Zeit mehr für Tränen.
»Wie sah der Parka aus?«
»Dunkelblau.«
»Hat Schöningh den zu einem späteren Zeitpunkt noch mal getragen?«
»Ja, er hat den eigentlich immer an.«
»Welche
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