Jeremy X
mittlerweile vor rezessiven Merkmalen regelrecht überquillt. Heutzutage weiß man nie, wie das eigene Kind wohl aussehen wird. Und selbst wenn irgendjemand der Ansicht ist, es sei völlig ausgeschlossen, dass Michael der Vater ist, könnte ich immer noch seine Mutter sein. Und das bedeutet« - sie warf Alsobrook ein strahlendes Lächeln zu, das zugleich bezaubernd und belustigt war und wortlos um Entschuldigung bat - »ich habe entweder meinen Ehemann betrogen, oder ich neige ganz allgemein zu einem lockeren Lebenswandel. Und beides könnte einen allzu neugierigen Zollbeamten durchaus interessieren ...«
Seit sie diese Erklärung begonnen hatte, hatte sie nicht ein einziges Mal Luft geholt. Es war ziemlich beeindruckend.
»... auch wenn wir uns natürlich mit der Tatsache befassen müssen, dass, sollte irgendjemand einen DNA-Test durchführen, diese ganze Scharade sich sofort in Luft auflöst - und DNA-Proben zu nehmen, auch unbemerkt, ist ja nun wirklich die einfachste Sache der Welt.«
»Nein, das würde nicht sofort auffallen«, widersprach Ganny, deren Laune sich deutlich zu heben schien. »Vielleicht wäre es sogar hilfreich. Tatsache ist, dass wir alle, von Ihnen abgesehen, wirklich miteinander verwandt sind - eigentlich könnte man hier von verdammter Inzucht sprechen, wenn man ehrlich sein wollte. Und wenn Ihre DNA nicht dazu passt, na und? Dafür kann man sich jede Menge Erklärungen überlegen. Aus dem Stegreif fallen mir gleich drei ein, und zwei von denen würden jeden neugierigen Zollbeamten mit aktiver Libido interessieren, wenn er sich zu Frauen hingezogen fühlte.«
Zilwicki und Cachat explodierten beinahe. »Nein!«, sagten sie, beinahe im Chor.
Ruth blickte sie finster an. »Warum nicht?«
Zilwickis Kiefermuskeln spannten sich an. »Weil ich der Königin gegenüber für Ihre Sicherheit garantiere, Prinzessin. Beiden Königinnen. Falls Ihnen irgendetwas zustoßen sollte, Sie vielleicht sogar den Tod finden, würden sich Berry und Elizabeth Winton vermutlich darum streiten, wer von ihnen mir denn nun bei lebendigem Leibe die Haut abziehen darf.«
Prinzessin, ja? Brice stellte fest, dass sein Interesse schlagartig zunahm. Der Gedanke, zur Belohnung die Prinzessin zu bekommen, war schließlich viel weniger fantastisch als die Vorstellung, tatsächlich eine junge Königin zu erringen - je länger er darüber nachdachte, um so langweiliger erschien ihm der Gedanke an eine ›Königin‹. Und diese Ruth dort war wirklich sehr attraktiv. Anscheinend auch sehr gesprächig, aber das war für Brice völlig in Ordnung. Gerade wenn man bedachte, dass er selbst wahrscheinlich die ganze Zeit über keinen einzigen Ton herausbringen würde.
Die Prinzessin blickte Zilwicki höhnisch an. »Seien Sie doch nicht albern, Anton! Wenn ich umgebracht werde - oder auch nur verletzt -, dann besteht überhaupt keine Chance, dass Sie anschließend noch am Leben sind. Nicht bei diesem Plan. Also, warum interessiert Sie, was danach passiert? Oder glauben Sie vielleicht an Gespenster - und daran, dass man an Gespenstern die Prügelstrafe vollstrecken kann?«
Zilwicki schaute sie missbilligend an. Doch er sagte ... kein Wort. Brice begriff allmählich, dass Cachat und Zilwicki nicht übertrieben hatten, als sie sagten, diese Mission könne gefährlich werden.
Cachat versuchte es mit einem anderen Ansatz. »Sie gefährden die Mission.« Mit Bedauern in der Stimme, aber doch entschlossen: »Es tut mir leid, Ruth. Sie sind eine brillante Auswertungsexpertin, aber es bleibt dabei: Für den Außendiensteinsatz sind Sie einfach nicht geeignet.«
»Warum nicht?«, wollte sie sofort wissen. »Bin ich zu zappelig? Rede ich zu viel? Und für was halten Sie diese drei Kinder? Geschmeidige Geheimagenten? Die es nicht schaffen, nicht zu sabbern, wann immer sie eine Frau sehen, die irgendwo zwischen ›potenziell heiratsfähig‹ und ›nicht zu matronenhaft‹ einzustufen ist?«
Sie warf Brice und seinen Freunden ein kurzes Lächeln zu. »Ist schon in Ordnung, Jungs. Mir macht's nichts aus, und ich denke, Berry wird es genauso gehen.«
Brice schoss das Blut ins Gesicht. Und er zwang sich dazu, den Mund fest zu schließen. Er hatte gerade die zweite Große Wahrheit des Lebens kennen gelernt: Wenn eine Frau intelligent genug war, um alleine schon aus diesem Grund attraktiv zu sein - ganz egal, aus welchem Grund noch -, dann war diese Frau zugleich auch ...
Intelligent. Schlau. Scharfsinnig. Schwer zu täuschen.
Tief in seinem
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