Jerry Cotton - 0503 - Rascher Tod durch Jimmy Brown
sage, dann bedeutet das auch nein«, knurrte er schroff. »Sonst noch etwas?«
»Das ist alles«, sagte ich und mußte mir einen verständnislosen Blick von Phil und Korber gefallen lassen. »Vielen Dank, Mr. Szosnaj.«
Ich drehte mich um und ging. Wohl oder übel kamen die beiden anderen hinter mir her.
»Bist du verrückt?« zischte Phil, als wir außer Sichtweite waren.
»Entschuldigen Sie, Mr. Cotton, aber ich verstehe auch nicht. Der Mann wußte etwas, er wollte nur nicht.«
»Eben«, lächelte ich zurück. »Das habe ich gemerkt. Warum soll er mißtrauisch werden.«
»Was hast du vor?«
»Nichts, — aber du!«
»Ich?«
»Du wirst ihn beobachten. Ich wette mit dir zehn Dollar gegen meinen alten Hut, daß er es nach Schichtschluß sehr eilig haben wird. Bringe heraus, wo er hingeht!«
***
Er wartete, bis das Auto vorbeigefahren war. Dann huschte er über die Straße. Es ging auf Mitternacht zu, und um diese Zeit lagen die Hafenanlagen im tiefen Dunkel. Jedenfalls bei Mole 18 der Standard Fruit. In einigen anderen wurde noch Ladung gelöscht.
Billy wußte genau Bescheid. Seit dreißig Jahren streunte er hier herum. Er kannte jeden Winkel, wußte, wann die Leute der Wachgesellschaften ihre Posten aufzogen, wann und wo sie wechselten.
Sommer und Winter trug er das gleiche Jackett und die gleiche Hose. Im Winter vervollständigte ein abgeschabter Mantel seine Kleidung. Billy zählte zu den Ärmsten der Armen, er arbeitete, wenn sich ihm Gelegenheit dazu bot und freute sich, wenn ihm mal jemand ein Bier spendierte. Er war immer freundlich und hilfsbereit. Hatte er zehn Cent in seinem Besitz, war er bereit, sie einem zu geben, der gar nichts besaß.
Jede Nacht stattete er der Standard Fruit einen Besuch ab. Er fand immer etwas, dessen Besitz für ihn wertvoll war. Manchmal waren es nur ein paar halbverfaulte Bananen, die die Räumkommandos bei den Aufräumungsarbeiten vergessen hatten.
So war er auch in dieser Nacht unterwegs. Er schlüpfte durch eine Lücke im Zaun, die nur ihm bekannt war und schlich hinunter zum Wasser.
Er liebte den Hudson und versäumte es nie, ein paar Minuten auf ihn hinunter zu schauen.
»Die Rose III«, murmelte er leise vor sich hin. »Sie ist genauso alt wie ich, müde und klapprig.«
Auf einmal stutzte er. Ein dunkler Schatten glitt über das Wasser. Es war ein Ruderboot.
Billy strengte seine alten Augen an. Er zählte vier Männer, die sich bemühten, nicht in den Lichtkreis der Positionslaternen der Rose III zu kommen.
Unwillkürlich trat er ein paar Schritte zurück und suchte Schutz hinter einem Stapel Bretter, die dicht neben der Mole aufgeschichtet lagen. Doch seine Neugier war größer als die Furcht. Vorsichtig steckte er den Kopf vor.
Das Boot kam näher und näher, bis es unterhalb der Mauer verschwand. Gleich darauf zeigte ein kratzendes Geräusch an, daß sich die Insassen bemühten, die Mole mit Hilfe einer Strickleiter zu erklettern.
»Leise, Bob«, sagte eine Stimme aus der Finsternis. »Sie haben bestimmt Posten auf gestellt.«
Nacheinander kletterten die vier Männer auf die Mole. Sie trugen etwas in der Hand, das aussah wie Geigenkästen. Billy konnte es nicht genau ausmachen.
Plötzlich waren drei der vier Männer wie vom Erdboden verschwunden. Billy entdeckte sie hinter einem alten Beiboot, das aufgedockt lag. Der vierte schlich sich auf die Rose III zu. Seine Hände schienen leer zu sein, jedenfalls konnte Billy den seltsamen Kasten nirgends entdecken.
An Deck des alten Trampdampfers wurden Schritte laut.
»He!« schrie der Wachtposten. »Ist da jemand?«
Der untenstehende Mann duckte sich. Dabei verursachte er ein nicht zu überhörendes Geräusch mit den Schuhsohlen.
Der Posten trat an die Reling und beugte sich vor. In diesem Augenblick richtete sich der andere auf, beugte den Oberkörper weit nach hinten und schleuderte etwas Blitzendes durch die Luft.
Der Posten griff sich an die Brust und sank lautlos zu Boden.
Billy preßte die Hand auf den Mund. Er zitterte am ganzen Körper. Das, was er bislang nur vom Hörensagen kannte, mußte er jetzt mit ansehen: einen kaltblütigen Mord. Er wollte weglaufen, wollte schreien, die Polizei alarmieren, Feueralarm auslösen… Doch Stimme und Beine versagten ihm den Dienst. Er war wie auf den Platz festgeschmiedet.
Der Mann, der eben das Messer geworfen hatte, winkte den anderen. Lautlos kamen sie heran.
»Auf der linken Seite ist noch einer, er wird gleich hinter der Brücke auftauchen«, sagte
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