Jerry Cotton - 0508 - Die Bombe tickt
sagte Vivian hart.
»Ich kann warten«, meinte er. »Bis jetzt habe ich gelitten. Nun bist du an der Reihe.«
Vivian drehte den Kopf herum und blickte ihm in die Augen. »Willst du mich umbringen?«
»Das werden die anderen besorgen«, sagte er.
Vivian überlief es kalt. »Welche anderen?«
»Der Henker, nehme ich an.«
»Du willst mir bloß Angst machen!«
»Klar will ich das«, gab er zu. »Ich möchte dich leiden sehen. Dieses Ziel will ich aber nicht mit billigem Bluff erreichen. Ich ziehe es vor, die ungeschminkte Wahrheit zu benutzen. Du wirst auf dem Elektrischen Stuhl enden, Vivian! Aber du weißt nicht, wie ich dich dahinbringe und wann das sein wird. Das ist wie mit einer Zeitbombe, die ein anderer gelegt hat. Sie tickt. Aber du weißt nicht wann sie hochgeht. Es kann in der nächsten Minute sein, es kann aber auch noch etwas dauern.«
Die junge Frau warf das Haar in den Nacken. Sie fror plötzlich. Sie dachte an Ralph Derrington. Seltsam, er war tot, und doch war sie nicht einmal traurig darüber. Sie fühlte, daß es jetzt um ihr eigenes Leben ging. Da blieb für Tränen keine Zeit. Sie blickte aus dem Fenster. »Ich habe niemanden umgebracht«, sagte sie. »Anstiftung zum Mord wird in diesem Lande nicht mit dem Tode bestraft.«
»Ich weiß«, meinte Chapman mit sanfter Stimme. »Trotzdem wirst du wegen eines Mordes auf dem Stuhl enden!«
Vivian zog die Schultern hoch. Ihr war auf einmal sehr kalt. Sie glaubte zu begreifen, worauf Chapman hinauswollte. »Du willst dich umbringen und alles so arrangieren, daß man mich des Mordes verdächtigt?« fragte sie mit heiser klingender Stimme.
»Diese Idee habe ich erwogen«, gab er zu. »Aber ich bin wieder davon abgekommen. Es wird alles viel einfacher sein.«
»Du hast den Verstand verloren!«
»Im Gegenteil. Ich bemühe mich zum erstenmal, ihn richtig zu gebrauchen.«
»Was hast du vor?«
»Ich habe bereits gehandelt«, sagte er. »Du wirst bald dahinterkommen.« Vivian erhob sich. Sie starrte ihn an. Es fiel ihr wie Schuppen von den Augen. »Du hast ihn getötet!« stieß sie hervor. »Du hast Ralph erschossen!«
»Ralph heißt er also«, sagte Chapman. »Na, bitte! Wir machen Fortschritte. Wie noch? Und wieso soll er erschossen worden sein?«
»Du hast es getan«, sagte die Frau. »Kein anderer hatte einen Grund, ihn zu töten.«
»Immer hübsch langsam«, meinte Chapman. »Mit diesen absurden Behauptungen wirst du…«
Vivian unterbrach ihn erregt. »Du bist mir gefolgt! Du hast gehört, daß ich mich mit ihm stritt. Daraufhin hast du ihn niedergeschossen. Ermordet! Du glaubst und hoffst, daß man den Mord mir anhängen wird.«
Chapman lächelte. »Das ist interessant. Dein Freund ist also erschossen worden, als du bei ihm in der Wohnung warst. Ihr habt euch gestritten. Das ist schlecht, mein Täubchen. Wirklich miserabel. Du weißt, wie die Geschworerien in diesem Lande über eine Ehebrecherin denken.«
»Du bist eine Bestie!« sagte die junge Frau atemlos. »Es gab einmal eine Zeit, wo ich dich für einen gutmütigen, langweiligen Trottel hielt, für einen romantischen Spinner… aber jetzt weiß ich es besser.«
Chapman zog hörbar die Luft durch die Nase ein. Er lächelte spöttisch. »Ich begreife deine Erregung nicht. Du wirfst mir vor, ich hätte deinen Freund getötet. Das mußt du erst einmal beweisen. Dank deiner Lüge beim Auftauchen des G-man kam es zwischen mir und ihm zu einer handfesten Keilerei. Ich hatte also gar keine Gelegenheit, dir zu folgen und die Adresse deines Freundes ausfindig zu machen. Im übrigen ist er ein Gangster gewesen. Ein Mann seines Schlages dürfte viele Feinde gehabt haben.«
»Du hast die Adresse gewußt! Irgendwie hast du sie ausfindig gemacht.«
»Du wirst dich erinnern können, daß ich bis zum Erscheinen des G-man bemüht war, den Namen deines Freundes zu erfahren!« sagte Chapman.
Vivian versuchte, sich zu fassen. Chapmans spöttisches, wissendes Lächeln gefiel ihr nicht, aber andererseits hatte er recht mit dem, was er sagte. Bis zuletzt hatte er vergeblich versucht, Ralph Derringtons Namen und Adresse zu bekommen.
Es klingelte an der Tür.
»Das wird die Polizei sein«, meinte Chapman leichthin. »Ich hoffe, du weißt, was du zu sagen hast!«
***
»Was ist das für ein Geräusch?« fragte Rita Felloni ängstlich. Auch sie hatte das Ticken gehört.
»Keine Ahnung«, log ich. »Wird wohl ein alter Wecker sein.« Nur jetzt keine Panik, dachte ich. Vielleicht hatte das Mädchen in
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