Jerry Cotton - 0508 - Die Bombe tickt
eine Menge Fragen, die das Mädchen so gut und offen beantwortete, wie sie konnte. Ich hatte das Empfinden, daß ich mich auf Rita Felloni verlassen durfte, und daß die Anklage mit ihr eine Zeugin gewonnen hatte, die in dem zu erwartenden Prozeß aussagen würde.
Als wir das obere Ende der kurvenreichen Auffahrt erreicht hatten, eilte ich an die Stelle, von der ich durch Stanwell herabgestoßen worden war. Er hatte es nicht einmal für nötig gehalten, meinen Smith and Wesson Revolver an sich zu nehmen. Ich zog die Socke von meiner rechten Hand, hob erleichtert die Waffe auf und steckte sie in die Schulterhalfter. Die Hand hatte aufgehört zu bluten. Deshalb schob ich die eine Socke in die Rocktasche. Das sollte mein Glück sein!
Nach wenigen Minuten erreichten Rita Felloni und ich die Stelle, wo ich den Jaguar abgestellt hatte. Er war verschwunden! Die Schlüssel befanden sich in meiner Tasche. »Die Gangster haben die Maschine kurzgeschlossen«, sagte ich. »Es war klar, daß sie den Wagen nicht hier stehenlassen durften. Sie können es sich nicht leisten, daß er hier gefunden wird und die Polizei anschließend eine gründliche Suchaktion veranstaltet.«
»Was machen wir jetzt?«
»Bis zur Straße ist es nicht mehr weit«, sagte ich.
»Glauben Sie im Ernst, daß jemand den Mut haben wird, uns in diesem Ganovenaufzug mitzunehmen?« fragte das Girl zweifelnd. »Unsere Sachen sind außerdem noch klatschnaß! Die Autofahrer werden bei unserem Anblick auf das Gaspedal treten und die Flucht ergreifen!«
»Ich habe gerade festgestellt, daß mir nichts abgenommen worden ist«, sagte ich. »Sogar die ID-Card steckt noch in meiner Tasche. Wir müssen eben unter Umständen warten, bis ein Patrolcar der Highway Police auftaucht. Vielleicht gibt es auch irgendwo in der Nähe eine Möglichkeit, zu telefonieren.'« Als wir die Straße erreicht hatten, geschah genau das, was Rita Felloni vorhergesagt hatte. Allerdings fuhren die meisten Wagen nicht sehr schnell vorüber. Mit aufgerissenen Augen versuchten die Fahrer und Beifahrer möglichst viele Einzelheiten der verdächtigen Gestalten am Straßenrand zu erhaschen. Dann freilich gaben sie Gas, als gelte es, zwei Abgesandten der Hölle zu entfliehen.
Nachdem mindestens zwei Dutzend Wagen an uns vorbeigebraust waren, verringerte ganz überraschend ein schwarzer Lincoln seine Geschwindigkeit, um anzuhalten.
Ich sah flüchtig, daß der Fahrer eine Sonnenbrille trug. Der Wagen stoppte. Aus dem Heckfenster schob sich eine Pistole und die bekannte, höhnische Stimme des blonden Rocky Stanwell sagte: »Ei, wen haben wir denn da? Einsteigen, meine Herrschaften! Offenbar haben wir uns ein paar Flüchtigkeitsfehler zuschulden kommen lassen. Die merzen wir jetzt aus!«
***
Vivian Chapman öffnete die Tür.
Vor ihr stand ein blonder junger Mann mit intelligentem Gesicht und einem offenen, gewinnenden Lächeln. »Ich bin Bob Parker vom ,Herald«‘, stellte er sich vor. »Darf ich fragen, ob Mr. Chapman zu Hause ist? Ich hätte ihn gern interviewt…«
Vivian wußte nicht, ob sie erleichtert sein sollte. »Er ist im Wohnzimmer«, sagte sie mechanisch. »Gehen Sie nur hinein! Dort ist die Tür…«
»Vielen Dank«, meinte der Reporter. Er durchquerte die Diele und klopfte an die Tür.
»Herein!« rief Chapman.
Vivian trat vor den Garderobenspiegel. Sie fand, daß sie sehr blaß aussah. Einfach miserabel. Sie ging ins Badezimmer, um ihr Make-up zu erneuern. Als sie kurz darauf wieder in der Diele stand, hörte sie die beiden Männer im Wohnzimmer miteinander sprechen.
Vivian Chapman streifte sich einen dünnen Staubmantel über. Sie verließ das Haus und öffnete die Garage. Eine Minute später lenkte sie den blauen Mercury auf die Straße. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand Lucille Raggers in ihrem Vorgarten. Sie beobachtete Vivian Chapman genau. Dieses dumme, neugierige Weibsbild, dachte Vivian wütend. Dann gab sie Gas und brauste davon.
Siebzehn Uhr zwanzig steuerte sie ihren Mercury in die Tiefgarage von Big Riggers Haus an der West End Avenue. Sie war hier schon einmal gewesen, und zwar vor vier Wochen, als Derrington sie zu einer Party des Syndikatsbosses mitgenommen hatte.
Vivian hielt und stieg aus. Ein hünenhafter, glatzköpfiger Mann kam auf sie zu. Dicht vor ihr blieb er stehen. Er lächelte sie breit an, aber seine kleinen, dunklen Augen blieben dabei kalt und wachsam. »Haben Sie sich in der Einfahrt geirrt, Madam?« fragte er.
»Nein. Ich bin
Weitere Kostenlose Bücher