Jerry Cotton - 0510 - Sie warfen mich den Schlangen vor
gehört werden.«
»Weiter!« forderte ich ihn auf, als er stockte.
»Mit der Sicherstellung der Waffe haben Sie Ihre Kompetenzen überschritten, Mr. Cotton.«
»Ich danke für den Hinweis! Aber zwischenzeitlich bin ich offiziell von der FBI-Dienststelle Miami mit diesem Fall betraut worden.«
»Interessant! Aber ich habe andere Zeugenaussagen als die Ihre, Cotton!«
»Ihre Zeugen müssen sich täuschen, Matterns!«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Cotton — meine Zeugen täuschen sich nicht. Ich kenne jeden einzelnen hier im Ort, und ich weiß, was ich diesen Leuten glauben kann. Und ich kenne diesen Bickingtone lange genug. Er ist eine gefährliche Bestie und…«
»Wo befindet sich Bickingtone jetzt?« fragte ich.
Er deutete mit dem Daumen über die Schulter. »Im Sumpf, Cotton, Er hält sich dort versteckt.«
»Sorgen Sie dafür, daß er herauskommt!«
Matterns verzog sein Gesicht zu einem spöttischen Lächeln. »Wollen Sie ihn holen?«
»Ich kenne mich leider in der Gegend nicht aus. Sie müßten mir einen ortskundigen Führer mitgeben.«
Er lachte laut und spöttisch. »Nein, Mr. Cotton. Niemand aus Tompaco wird in den Sumpf gehen. Mit einer Ausnahme. Bickingtone ist hineingegangen. Obwohl er weiß, daß die Chance, lebend herauszukommen, 100 gegen 1 steht. Ich kann es Ihnen auch sagen, warum er es getan hat. Weil er hier keine Chance mehr hat. Gar keine!«
»Er hat hier nichts zu befürchten, denn er hat nichts getan!«
Matterns schüttelte den Kopf, als wundere er sich über meine Worte. »Cotton, wenn er nichts getan hätte, wäre er nicht in den Sumpf geflüchtet. Kein Mensch, der ein gutes Gewissen hat, flüchtet vor der Polizei in einen tödlichen Sumpf. Bickingtone hat kein gutes Gewissen!«
»Vielleicht hat er nur Angst?«
Matterns winkte ab.
»Sie veranstalten eine Menschenjagd auf ihn!«
»Ich bin verpflichtet, ihn zu verhaften!«
»Trotz meiner Aussage? Und obwohl Sie wissen, was die Wahrheit ist?« Ich schaute ihn scharf an.
Einen Moment hielt er meinen Blick aus, dann senkte er den Kopf. Verlegen spielte seine rechte Hand am Kolben des Gewehrs, das er sich malerisch über die Schulter gehängt hatte.
»Nun?« fragte ich scharf.
Er hob seinen Kopf wieder. »Auch wenn er nur das getan hat, was Sie mir berichtet haben, hat er sich strafbar gemacht. Deshalb muß ich ihn verhaften.«
Ein Schuß zerriß die Stille der Landschaft. Ein zweiter Schuß, viel weiter entfernt, antwortete.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte ich. »Wer schießt da?«
Matterns gab keine Antwort.
»Es sind Ihre Leute, und sie schießen auf Abraham Bickingtone! Stimmt das?«
Plötzlich riß er sich das Gewehr von der Schulter und knallte den Kolben vor sich in das Gras. Er stand da wie das Denkmal des braven Polizisten, aber sein Blick war gehetzt und wich mir aus. »Verdammt, Mr. Cotton, das stimmt! Aber davon verstehen Sie nichts! Sie kommen aus New York, wir aber leben hier in Florida! Wir müssen ihn fassen! Und Sie können nicht von uns verlangen, daß wir unsere Männer aufs Spiel setzen, daß wir in den Sumpf gehen und dort versinken oder von den Schlangen gebissen werden, wegen dieses…«
»Wer ihn abschießt, bekommt 100 Dollar von Walker! Stimmt das nicht?« bohrte ich weiter.
»Doch«, sagte er. »Auch das stimmt. Auch das ist hier so üblich!«
Ich konnte es nicht begreifen. Da stand ein Mann, der eigentlich für die Wahrung der Gesetze eintreten sollte, und verteidigte sich mit Nachdruck gegen meinen Vorwurf, er veranstalte eine Menschenjagd. Er versuchte sogar, sein Vorgehen zu rechtfertigen.
»Matterns«, sagte ich ruhig, »ich sage es Ihnen noch einmal: Bickingtone hat aus der Auslage des Gemüsehändlers drei oder vier Pfirsiche entwendet. Sonst nichts. Der Gemüsehändler Walker hat einen Streifschuß, den er sich selbst in voller Absicht beigebracht hat. Das ist die Situation. Alles andere ist Lüge! Niemand hat ein Recht, mit Waffengewalt gegen Bickingtone vorzugehen! Wenn Sie jetzt nicht dafür sorgen, daß die gesetzwidrige Aktion gegen den Mann eingestellt wird, Matterns, dann werde ich dafür sorgen, daß Sie und alle Mitwirkenden zur Rechenschaft gezogen werden!«
»Wie Sie meinen, Cotton!« antwortete er aufsässig.
»Nehmen Sie Ihre Leute und fahren Sie in den Ort zurück.«
Er lachte. »Sie können mir befehlen, Cotton, ob Sie das zu Recht oder zu Unrecht tun, wird sich klären lassen. Aber meine Leute lassen sich nicht befehlen. Weder von Ihnen noch von mir. Ich
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