Jerry Cotton - 0546 - Der Gefaehrte des Grauens
umbringen wollen. Nur Mädchen entfesseln seine Mordlust. Ich habe es erlebt. Auch wenn er schießt, wählt er ein Mädchen als erstes Ziel. Heute auf dem Dach feuerte er zuerst auf Diane Jagg, obwohl ich bewaffnet war, sie hingegen nicht. Ich nehme an, es sind Zwangshandlungen, die ihm sein krankes Gehirn aufzwingt.«
»Ich bin informiert! Diane hat es mir erzählt. Hat die Polizei Spuren gefunden?«
»Zwei Hülsen, aber das bringt uns noch nicht weiter, solange wir nicht die Kanone finden, aus der die Kugeln verschossen wurden.«
»Laß uns erst den Francis-Nocar-Fall erledigen, Phil. Falls sie über Melvin Acer so auspackt, daß wir ihn hochnehmen können, muß Washington ohnedies einen anderen Mann schicken. Für die Suche nach dem Mädchen-Mörder tauge ich dann nicht mehr.«
Ich verließ die Telefonzelle und ging ins Hotel zurück. Ich legte mich ins Bett und schlief sofort ein. Meistens schlafe ich besonders tief und fest, wenn ich weiß, daß ich am anderen Tage meine Nerven brauche. In dieser Nacht wurde ich irgendwann zwischen zwei und drei Uhr wach. Ich richtete mich auf und wußte sofort, daß ich nicht von einem Geräusch, sondern von einem Traum geweckt worden war. Der Traum hatte nichts mit der Arbeit zu tun, die mir morgen bevorstand. Es handelte sich auch um nichts Unwirkliches, sondern ich hatte, genau wie Phil und Diane Jagg es geschildert hatten, einen maskierten Mann in einem Overall gesehen, der auf Diane schoß. Geweckt hatte mich die Frage, die ich mir selbst im Traum gestellt hatte: Warum schoß der Mann auf Diane?
***
Francis Nocar nahm an jedem Morgen, an dem das Wetter es erlaubte, ein Bad in der Brandung. Sie glaubte, daß die Massage durch die Wellen ihre Haut straff und jung hielte. Als sie sich an diesem Morgen aus dem Wasser an Land kämpfte, sah sie Melvin Acer in der Hollywood-Schaukel sitzen, und selbstverständlich befand sich Vic Crunk bei ihm. Acer stand auf und küßte sie auf die nassen Lippen. »Du schmeckst wie ein Fisch!« sagte er lachend.
»Welche Sorte Fisch?«
»Hai natürlich!«
Sie hüllte sich in einen Bademantel. Auf einem Tischchen neben der Schaukel stand eine Schmuckschatulle. Sie öffnete sie und entnahm ihr vier Brillantringe, die sie sich über die Finger schob.
»Warum nimmst du deine Ringe nicht mit ins Wasser?«
»Brillanten vertragen Seewasser schlecht. Bei Perlen ist das anders. Schließlich stammen sie aus dem Meer.« Acer faßte in ihr Haar, das jetzt naß war und in Strähnen bis auf ihre Schultern hing. »Eines Tages wirst du ertrinken, und ich werde mich nicht einmal mit dem Besitz deiner Perlen über deinen Tod hinwegtrösten können.«
»Mach dir keine Hoffnungen, Melvin«, antwortete sie, und ihre Zähne blitzten in einem bösartigen Lächeln. »Ich schwimme wie ein Fisch und werde nicht ertrinken. Ich werde auch nicht unter ein Auto geraten oder dich sonst auf eine preiswerte Art von meiner Gegenwart befreien.«
»Welchen Unsinn du redest!« rief er und legte einen Arm um ihre Schulter. »Selbst eine Vierundzwanzig-Stunden-Trennung von dir fällt mir schwer, und ich komme, um mich von dir zu verabschieden.«
»Du fährst fort?«
Er nickte. »Für ungefähr vierundzwanzig Stunden.«
»Wohin?«
»Nach New York. Gewisse Geschäfte müssen erledigt werden.«
»Kann ich mitkommen? Ich brauche ein paar neue Sachen von der Fünften Avenue. In der Mode ist New Haven so rückständig wie ein Dorf im Westen.«
»Geht leider nicht, Francis! Ich erwarte Jolly Baker mit einer Lieferung von… Na, du weißt schon, was er bringt. Er hat den Auftrag, dir die Ware zu übergeben.«
Baker war ein Rauschgiftschmuggler. Obwohl Acer keinen großen Ring aufgezogen hatte, so bestand einiger Bedarf an Heroin, Koks und Marihuana in den Bordellen und Spielhöllen.
»Rod übernimmt die Ware.«
»Ich fürchte, ich kann Harry nicht mehr trauen. Ich möchte nicht, daß diese Lieferung in seine Hände gerät. Ich habe Baker angewiesen, zu dir zu kommen.« Wieder küßte er sie. »Sei nett und warte auf ihn! Ich bringe dir ein hübsches Spielzeug von der Fünften Avenue mit.«
»Wann kommst du zurück?«
»Vielleicht in der Nacht, vielleicht erst morgen!«
»Wann fährst du?«
»Sofort!« Er blickte auf die Armbanduhr. »Das Flugzeug startet in einer Stunde. Wir müssen uns beeilen! Bringst du uns zum Wagen?«
Er ließ seinen Arm um ihre Schulter während des Weges -vom Strand zur Straße. Crunk saß bereits hinter dem Steuer, und der Motor lief, aber
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