Jerry Cotton - 0554 - Das Geheimnis der Millionenbande
die Gefahr überschätzt. In diesem Trubel war jeder mit sich selbst beschäftigt, und die Menschen in diesem Laden interessierten sich wahrscheinlich überhaupt nicht dafür, wer gerade vom FBI oder irgendwelchen Polizisten gesucht wurde. Die Argentinier, die so bereitwillig seinen Whisky akzeptiert hatten, schienen genau die richtige Adresse für ihn zu sein. Noch zwei, drei Runden und sie würden ihn aus Freundschaft mit an Bord nehmen. Er kannte doch Südamerikaner. Wenn man sie richtig anfaßte, konnte man alles von ihnen verlangen, und auf keinen Fall würden sie dem Anblick einer dicken Handvoll Pesos, oder wie immer ihr verdammtes Geld heißen mochte, widerstehen können.
»Noch eine Runde!« rief er und hob den Arm, aber der Keeper, der ihn bisher bedient hatte, war verschwunden. Ein anderer Mann nahm Guerneys Bestellung entgegen. »Sofort, Mister!« sagte er.
***
Phil und ich kamen gegen neun Uhr am Abend von der Überprüfung eines verdächtigen Mannes aus Suffolk zurück. Inzwischen hatten wir es auf sechsundzwanzig vergebliche Überprüfungen von Personen gebracht, die auf Grund der Fahndungsaktion festgenommen worden waren. Einige von ihnen wurden wegen irgendwelcher anderer Verbrechen gesucht, aber unser Kunstschütze befand sich nicht darunter.
Eine vergebliche Jagd kreuz und quer durch die Stadt, die immer wieder neu enttäuschte Hoffnung, endlich auf den richtigen Mann zu stoßen, macht mißmutig. Unsere Laune lag, als wir ins Distriktgebäude zurückkamen, eine volle Meile unter dem Nullpunkt.
»Es hat keinen Sinn, daß wir uns beide die Nacht um die Ohren schlagen«, sagte ich zu Phil. »Fahr nach Haus, schlaf dich aus und löse mich morgen ab!«
»Warum ich? Du kannst in deine Wohnung…« Ich ließ ihn nicht aussprechen, sondern zog eine Münze aus der Tasche. »Kopf oder Zahl?«
»Zahl«, sagte Phil, und ich warf die Münze hoch. Die Zahl lag oben. »Verschwinde!« sagte ich. »Schlaf gut!«
Ich fuhr- in mein Büro hoch, überprüfte die Eingänge auf dem Schreibtisch, fand nichts von Bedeutung darunter und legte mich auf die Couch. Als ich gerade lag, schrillte das Telefon. Ich fluchte und stand auf, nahm den Hörer ab und meldete mich: »Cotton!«
»Sind Sie der G-man, der den Fall des Kunstschützen bearbeitet?« fragte eine Flüsterstimme.
»Genau!« antwortete ich und hängte einen kleinen Seufzer an.
»Hören Sie, ich hätte einen Tip. Es gibt doch ’ne Belohnung?«
»Es gibt eine Belohnung aus der Kasse der Versicherungsgesellschaft, wenn das geraubte Geld ganz oder teilweise wiedergefunden wird.«
»Passen Sie auf, G-man! In unserem Laden sitzt ein Mann, der genauso aussieht wie der Bursche auf dem Bild, das im TV gesendet wurde.«
»In Ordnung. Wir interessieren uns dafür. Wo ist er?«
»Youth-Dancing-Hall auf der Cadman-Plaza!«
Die beiden letzten Worte elektrisierten mich. Wäre def Anruf von irgendeinem anderen Ort erfolgt, hätte ich vermutlich das nächste Polizeirevier angerufen und gebeten, zwei Beamte zum Nachschauen hinzuschicken. Bei Cadman-Plaza lagen die Dinge anders. Auf dem Rummelplatz hatten wir den Gangster mit dem Texashut zum erstenmal gesehen. Dort hatte er Rowsky erschossen, und es konnte durchaus sein, daß er aus irgendwelchen Gründen noch einmal zurückgekommen war.
»Behalten Sie ihn im Auge. Wenn er Ihren Laden verläßt, versuchen Sie, ihm unauffällig zu folgen, aber unternehmen Sie nichts, um ihn zu stoppen. Sie würden den Versuch nicht überleben!«
Ich hieb den Hörer in die Gabel, zischte aus meinem Büro, sauste die Treppe hinunter und brach in die Telefonzentrale ein.
»Gebt mir eine Verbindung mit dem 7. Revier!«
Cadman-Plaza liegt im Bereich des 7. Reviers der City Police. Nach dreißig Sekunden hatte ich den Chef des Reviers am Apparat.
»Ich erhielt eine Meldung, daß der Mann mit dem Texashut sich in der Youth-Dancing-Hall aufhält. Bitte, schicken Sie zwei Beamte in Zivil hin, die den Mann überwachen, falls er den Bau verläßt, bevor ich komme.« Er begriff sofort. »Geht in Ordnung!«
Eine knappe Minute später saß ich hinter dem Steuer meines Jaguar. Ich schaltete Rotlicht und Sirene ein. Im Höllentempo raste ich auf die Brooklyn Bridge zu, deren eine Abfahrt wenige hundert Yard vom Rummelplatz entfernt auf der anderen Seite des Eastrivers mündet. Als ich das bunte Geflacker der Neonreklamen des Rummelplatzes vor mir sah, stoppte ich die Warnsignale. Ich steuerte den Jaguar auf den kleinen Platz vor den Eingängen
Weitere Kostenlose Bücher