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Jerry Cotton - 0557 - Per Express in den Tod

Jerry Cotton - 0557 - Per Express in den Tod

Titel: Jerry Cotton - 0557 - Per Express in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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ließ mich in den Frisiersessel fallen, strich mit dem Handrücken über die Bartstoppeln und blickte von unten in Harold Govins Gesicht. »Rasieren«, sagte ich. »Nach europäischer Art.«
    »Mit Vergnügen«, zischte Govin. Trotz seines prächtig modernen Haarschnittes war er von Natur aus schon kein besonders hübscher Knabe, aber heute sah er geradezu abschreckend aus. Die Augen lagen tief in den Höhlen, und sein Gesicht ähnelte einem alten verknitterten Bettlaken. Es war das Gesicht eines Mannes, der eine Nacht lang nicht geschlafen hatte und der sich bemühte, seine Nerven im Zaum zu halten. Er cremte mein Gesicht ein und schlug mit einem Dachshaarpinsel Schaum.
    Der Sessel neben mir war in die Rückenlage geklappt worden. Ein dicker Mann lag darin. Sein Bauch wölbte sich zu einem sanften Hügel, über dem er die Hände gefaltet hatte. Feuchte Kräuterkompressen bedeckten sein Gesicht. Leichter Dampf stieg von den Tüchern auf, und das wohlige Grunzen des Dicken drang darunter hervor. Hinter dem Stuhl stand die rothaarige Anita und drückte die Kompressen gegen die Wangen ihres Kunden.
    Govin beendete das Einseifen. Er nahm ein Rasiermesser aus einer Schublade und schärfte es, indem er es am Handballen abzog.
    »Ist es das Messer, das Sie gestern mitgenommen hatten?«
    »Möglich«, knurrte er. »Ich kann mit all meinen Messern gleich gut umgehen.« Er setzte die Klinge an und schabte die Stoppeln von meiner Wange.
    »Carmie Gill ist nicht zum Dienst erschienen?«
    »Wenn Sie Fragen stellen, besteht die Gefahr, daß ich Sie schneide.« Er kratzte an meinem Kinn herum.
    »Nicht wichtig, so lange der Schnitt nicht zu tief geht. Haben Sie etwas von Carmie Gill gehört?«
    »Nichts! Legen Sie den Kopf mehr zurück, bitte!«
    Neben mir krachte der Sessel, als der Dicke sich bewegte. »Anita, meine Schöne, ich denke, du hast mich genug gedämpft«, brummte er dumpf unter den Tüchern hervor.
    »Noch drei Minuten nach der Vorschrift«, widersprach das Mädchen.
    »Drei Minuten länger Kräuterdampf bügeln mir auch nicht die Falten aus dem Gesicht. Nimm die Kompressen fort!«
    »Wie Sie wünschen, Mr. Fiebe!«
    »Bitte, den Kopf nach der anderen Seite!« sagte Govin.
    »Was werden Sie unternehmen, wenn Carmie Gill nicht mehr auf der Bildfläche erscheint?«
    »Auf jeden Fall werde ich mich nicht darüber auf regen«, antwortete Govin zynisch. »Glauben Sie, es geschähe zum erstenmal, daß eines meiner Girls vorübergehend verschwindet? Carmie war darin fast eine Spezialistin. Bei irgendeinem Bummel lernte sie irgend jemanden kennen, der ihr einen Trip nach Florida oder in eine andere verlockende Gegend vorschlug. In zwei von drei Fällen nahm sie an, und sie machte sich nicht einmal die Mühe, mich um Urlaub zu bitten. Meistens startete sie von der Bartheke weg.« Er rief die Rothaarige an, die dabei war, das Gesicht des dicken Mr. Fiebe aus den Packungen zu schälen. »Wohin verschwand Carmie beim letztenmal, Anita?«
    »Bahamas«, antwortete Anita lakonisch. »Der Mann besaß ein Privatflugzeug.«
    »Wie lange blieb Carmie fort?«
    »Vier Tage und vier Nächte. Dann hatte er genug von ihrem Lächeln und schickte sie mit einem Linienflugzeug nach Hause — selbstverständlich Touristenklasse und ohne einen Dollar.«
    »Sie stellten sie wieder ein?«
    »Ah, zum Teufel, ich bin nun einmal zu gutmütig. Sie kam her und weinte Sturzbäche. Wenn ich gewußt hätte, daß sie mir nur neuen Ärger bringen würde, und dazu noch mit einem Burschen Ihres Schlages, so hätte ich sie endgültig hinausgeworfen.« Er entfernte den Schaum von meiner Kehle.
    »Sie haben meine Frage noch immer nicht beantwortet, Mr. Govin«, beharrte ich. »Was werden Sie unternehmen, wenn Carmie nicht wieder auftaucht?«
    »Ich werde der Gewerkschaft mitteilen, daß sie nicht mehr bei mir arbeitet und die Beiträge nicht mehr bei mir kassiert werden können.«
    »Werden Sie nicht die Polizei benachrichtigen?«
    Er starrte mich an, das offene Messer in der Hand. »Vielleicht sollte ich es tun«, sagte er tückisch, »und am besten erzähle ich der Polizei bei dieser Gelegenheit sofort, daß sie zuletzt mit einem Kerl zusammen war, der nie seinen Namen nannte und hinter ihr her war wie der Teufel. Ich denke, Sie wissen, von wem ich spreche. Wollen Sie eine Nachrasur?«
    Nebenan betätigte Anita die Hydraulik und kippte den Sessel samt Inhalt in die Normalhaltung. Der Dicke trocknete sich das Gesicht ab. Unter den buschigen rötlichen Augenbrauen

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