Jerry Cotton - 0561 - Die vertauschte Moerderin
willst. Hast du etwas auf dem Kerbholz? Irgendwelche Differenzen mit der Polizei.«
»Nein«, log Diane. Der Bonde lächelte. »Willst du gleich anfangen?«
»Ich komme morgen«, antwortete Diane. »Sind Sie der Chef?«
»Ja. Wenn du Schwierigkeiten hast, frage nach mir. Ich heiße William Rasting. Meine Freunde nennen mich Bill!« Sein Lächeln verwandelte sich in ein Grinsen. »Meine Freundinnen übrigens auch.«
***
Ich hielt ein Bild in den Händen. Das Foto zeigte einen Mann, dessen Wangen durch Narben entstellt waren. Es stammte aus unserem Archiv. Ich schlug die Akte auf, die zu diesem Foto gehörte. »Ben Mercolano«, las ich. »Zweimal vorbestraft wegen Raubüberfall, Bandenbildung, Körperverletzung. Gehörte bis 1964 der Bande von Ettore Tacco an, wurde aber nicht mit vor Gericht gestellt, als Tacco und acht Gangmitglieder zu langjährigen Kerkerstrafen verurteilt wurden. Besondere Kennzeichen: Narbe auf der linken Wange, die von einer Messerstecherei herrührt, und Narben auf der rechten Gesichtshälfte, die von einem Autounfall verursacht wurden.«
Phil kam herein.' Er lief zur Zeit einem Unbekannten nach, der es in der Herstellung von Zwanzigdollarnoten zu beachtlicher Meisterschaft gebracht hatte. Deshalb konnte Phil sich nicht an der Klärung des Mordfalls Eleonor Flinter beteiligen, aber er kannte Diane Jagg nicht schlechter als ich, und er bedauerte es, daß sie in Schwierigkeiten geraten war.
Ich hielt ihm das Bild Mercolanos entgegen. »In einem Punkt hat Diane die Wahrheit gesagt. Ein Gangster mit Narben auf beiden Wangen läuft in der Stadt herum.«
Phil betrachtete das Foto prüfend. »Es kann Wochen dauern, bis du ihn findest.«
»Er hat früher für Ettore Tacco gearbeitet, und Tacco sitzt. Ich nehme an, daß Mercolano rechtzeitig aus dem Verein ausstieg, und so etwas schätzen die Bosse im allgemeinen wenig. Ich werde mit Mr. Tacco reden.«
Noch am gleichen Tag saß ich in einem Besucherzimmer des Zuchthauses Sing-Sing einem vierschrötigen Graukopf gegenüber. »Wollen Sie mich hier ’rausholen, G-man?« fragte er grinsend.
»Ich möchte einen alten Freund von Ihnen ’reinbringen, Tacco.« Er legte die Hand aufs Herz. »Ettore Tacco verpfeift seine Freunde nicht.«
»Vielleicht habe ich das falsche Wort benutzt. Ich spreche von Ben Mercolano.«
Tacco schoß von seinem Sitz hoch. Seine schwarzen Sizilianeraugen funkelten. »Quello maledetto…« Eine Flut italienischer Beschimpfungen brach aus seinem Mund wie eine Springflut. Er tobte fünf Minuten lang in seiner Muttersprache. Plötzlich brach er ab und fragte auf englisch: »Was wollen Sie von diesem dreckigen Lumpen?«
»Ich will ihn finden.«
»Aus welchem Grund?«
»Vielleicht Beteiligung an einem Mord.«
»Ah, das würde für ihn teuer werden.«
»Ja, aber offenbar schien ihm die Beute einiges Risiko wert.«
»Ein‘fetter Fisch?«
»Die Flinter-Juwelen!«
Tacco schnappte nach Luft. Ich brauchte ihn nicht zu informieren. Auch in Sing-Sing gibt es Zeitungen, und für nichts interessieren sich die schweren Jungs mehr als für die erfolgreichen Coups der Kollegen draußen.
»Du lügst, G-man! Mereolano hat nicht das Zeug zu einer Sache dieses Stils.«
»Es gibt Hinweise dafür, daß er beteiligt war.«
Der Exgangboß nagte an seiner Unterlippe. »Gib mir eine Zigarette, G-man!« Er rauchte in langen Zügen. »Weißt du, daß Mereolano schuld daran ist, daß ich hier sitze?«
»Ich weiß nur, daß er zu deiner Gang gehörte, aber nicht vor Gericht gestellt wurde.«
»Ich hatte ihn losgeschickt, einem Mann, der mich belasten konnte, den Mund zu stopfen. Statt dessen ließ er sich von dem Burschen eine Handvoll Dollar geben, verschwand, und der andere verpfiff mich an die Bullen. Ich habe mir geschworen, Mereolano den Hals umzudrehen, wenn ich hier herauskomme. Aber für mich kann das noch zwanzig Jahre dauern. Mir geht’s gegen den Strich, daß dieser Lump zwanzig Jahre lang den Millionär spielt. Besser, ich verzichte auf meinen persönlichen Spaß und überlasse ihn euch. Vielleicht wird Ben Mereolano, wenn das Gericht ihn verknackt hat, hier eingeliefert, und ich kann ihn mir im passenden Augenblick kaufen. Also, was willst du wissen, G-man?«
»Ich sagte es schon: Wo kann ich ihn finden?«
»Wenn er seine Gewohnheiten nicht geändert hat, müßtest du ihn in der East 96. Straße auftreiben können. Mercolano kann die Finger nicht von den Würfeln lassen. In der East 96. gibt es ’ne illegale Würfelbude,
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