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Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben

Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben

Titel: Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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Vater — In Liebe, Violett.
    Ich stellte die Vasen mit den Blumen auf den Boden. Dann war der Sarg frei. Ganz ohne Blumenschmuck kam er mir nackt vor. Es war ein teurer, reichverzierter dunkler Eichensarg. Die Köpfe der Schrauben sahen aus wie Rosenknospen. Nur dort, wo sie der Schraubenzieher gefaßt hatte, war das Messing zerkratzt.
    Ich nahm mein Taschenmesser. Die kurze Klinge war dick. Ich schob sie zwischen zwei lockere Fliesen am Boden und brach die Klinge ab. Den etwa zentimeterlangen Rest konnte ich als Schraubenzieher benutzen. Ich probierte. Es ging. Der Klingenrest hatte die richtige Stärke, er paßte in die Schlitze der Rosenknospen.
    Es war 0.30 Uhr. Außer meinem Atem hörte ich kein Geräusch. Ich begann, den Sarg zu öffnen.
    ***
    Es ging rascher, als ich gedacht hatte. Schon nach wenigen Minuten hatte ich vierzehn Schrauben gelöst. Nur noch zwei hielten den Deckel fest. Dann legte ich auch sie auf den Boden — neben die anderen. Das Messer glitt in die Manteltasche. Meine Hände faßten den Sargdeckel. Einen Moment zögerte ich noch. Feurige Kreise drehten sich vor meinen Augen. Abwechselnd liefen mir heiße und kalte Schauer über die Haut. Ich preßte die Zähne so hart aufeinander, daß ich den Schmerz bis in die Kiefer spürte. Die Muskeln unter den Wangen ballten sich zu Knoten. Dann wollte ich den Deckel anheben.
    Dazu kam es nicht mehr. Hinter mir wurde die Tür der Friedhofskapelle aufgestoßen. Ich ließ den Deckel los und fuhr herum.
    Ein Mann stürmte herein, ein kleiner Mann mit einem armlangen dicken Knüppel. Er schwang ihn wie eine Keule.
    »Was tun Sie hier?« brüllte er mich an.
    Den Knüppel wirbelnd, kam er auf mich zu. Er war klein, aber er sah zäh aus. Das narbige Gesicht wirkte frech. Er trug einen speckigen Hut mit zerfranster Krempe.
    »Kerl, verdammter! Läßt nicht mal die Toten in Ruhe.« Er brüllte wieder. Plötzlich besann er sich. Während ihm offenbar einfiel, wo er sich befand und sein Blick den Sarg streifte, setzte er halblaut hinzu: »Dir werde ich es zeigen.«
    Anscheinend wollte er mir zeigen, daß auch ein kleiner Mann hart zuschlagen kann. Denn er versuchte einen so wuchtigen Hieb, daß er mir damit vermutlich den Schädel zertrümmert hätte, wäre ich getroffen worden. Alles ging so schnell, daß ich keine Zeit zu einer Erklärung fand. Ich sprang zur Seite. Dröhnend landete der Knüppel auf dem Sarg. Zu einem zweiten Schlag konnte der Kleine nicht mehr ausholen. Meine Ohrfeige wirbelte ihn zweimal um die eigene Achse. Er prallte gegen die Mauer, rutschte langsam zu Boden, und sein Gesicht war so schief, als hätte ihn ein Pferd gegen die linke Wange getreten.
    »Sind Sie wahnsinnig«, fuhr ich ihn an. »Bevor Sie wie ein Wilder um sich schlagen, sollten Sie erst mal hören, was hier los ist. Ich bin vom FBI. Wer sind Sie?«
    Er war noch nicht wieder völlig klar. Aber er stand auf, klopfte sich den Schmutz von den Hosenbeinen und betastete sein Gesicht. »Ich bin Archie Wood, der Friedhofswärter. Worum geht es denn, Officer?«
    »Ich habe einen Gangster beobachtet, als er vor wenigen Minuten diesen Sarg zuschraubte. Ich vermute, er hat etwas in den Sarg gepackt, das nicht hineingehört. Vielleicht sogar einen Toten. Einen zweiten Toten, meine ich.«
    Ich zeigte Wood meinen Ausweis. Der Kleine sah ihn an und war zufrieden. Immer noch rieb er sich die Wange. »Mann«, knurrte er, »haben Sie einen Schlag, Mr. Cotton. Ich kann mir gratulieren, daß es nur eine Ohrfeige war. Meinen Sie wirklich, daß außer dem alten Jones noch wer drinliegt? Vielleicht stimmt Ihre Vermutung. Heute nachmittag hat die Familie vom alten Jones Abschied genommen. Der Sarg soll nicht mehr geöffnet werden. Vormittags um zehn findet die Beisetzung statt. Der Sarg wäre also wirklich ein gutes Versteck. Kannten Sie Jones? Nein? Ihm gehörte das Bronx Hotel drüben an der Westchester Ave. Ein wohlhabender Mann. Er konnte sich alles leisten. Aber den zweiten Herzinfarkt hat er nicht überstanden.«
    Die Kälte im Raum drang durch meine Kleidung bis auf die Haut. Ich fröstelte. Seit achtzehn Stunden war ich auf den Beinen. Vor acht Stunden hatte ich zum letztenmal gegessen, einen vertrockneten Sandwich mit eiskalter Butter aus einem Automaten. Ich war müde. Mein Magen knurrte. Aber es war noch nicht abzusehen, wann ich ins Bett kommen würde.
    »Fassen Sie mal mit an«, sagte ich.
    Wood nickte. Er packte den Sargdeckel am Kopfende. Ich nahm die andere Seite. Wir hoben ihn ab.

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