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Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben

Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben

Titel: Jerry Cotton - 0563 - Der letzte Mann in Jennys Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
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verjüngte sich oben zu einem gotischen Bogen und besaß schraffierte Butzenscheiben, die den Blick kaum durchließen.
    Ich sah die Lichtquelle, vermutlich ein auf dem Boden stehender Handscheinwerfer. Ich sah eine Gestalt, die sich über etwas beugte und hastig hantierte. Genaues konnte ich nicht erkennen. Die Butzenscheiben brachen den Blick wie Prismen das Licht. Erst als ich eine Stelle fand, die glatt geschliffen war, sah ich mehr.
    Etwa in der Mitte des Raumes war ein Sarg aufgebährt. Ein dunkles Tuch umhüllte den Sockel, auf dem er stand. Kränze lagen, zu einem Haufen geschichtet, auf dem Boden. Ich sah Vasen mit weißen Nelken. Von irgendwoher strömte Luft. Sie bewegte die Schleifen und Bänder der Kränze.
    Der Blonde hielt einen langen Schraubenzieher in der Hand und beugte sieh über den Sarg. Mit gespanntem Gesicht drehte er die Schrauben. Anfangs konnte ich nicht unterscheiden, ob er sie lockerte oder hineindrehte. Als ich die Bewegung genau verfolgte, sah ich, daß er den Schraubenzieher rechtsherum führte. Er drehte die Schrauben fest. Er schloß den Sarg.
    Jetzt zpg er die letzte Schraube nach. Er richtete sich auf, trat etwas zurück, schien sich zu verschnaufen. Er schob den Schraubenzieher in die Manteltasche, bückte sich, nahm den ersten Kranz und legte ihn auf den Sarg. Sorgfältig schichtete er Blumen und Kränze auf. Vermutlich so, wie er es vorgefunden hatte, bevor er den Sarg öffnete. Er schob hier einen Kranz zurecht, änderte die Stellung einer Vase, nahm zum Schluß den Scheinwerfer und beleuchtete das Bild. Unter den Blumen und Kränzen war der Sarg verschwunden. Das Licht erlosch.
    Ich drückte mich an die Mauer. Ich stand zwischen zwei Lebensbäumen. Nur wer ganz nahe vorbeikam und genau hinsah, konnte mich entdecken.
    Hinter der Ecke hörte ich eine Türangel quietschen. Dann kam der Blonde. Ohne nach rechts oder links zu sehen, lief er zum Tor. Ich wartete, bis ich den Motor des Dodge hörte. Der Wagen fuhr ab — in Richtung Westchester Ave.
    Ich fror. Aber die Kälte kam von innen. Ein schrecklicher Gedanke krallte sich in meinem Hirn fest. Er ließ mich nicht los, sosehr ich auch versuchte, ihn abzuschütteln.
    Ich ahnte, warum der Blonde den Sarg geöffnet hatte. Es wäre nicht das erstemal gewesen, daß ein Sarg mit zwei Leichen beerdigt wird. Mit der Leiche, für die er bestimmt ist — und mit dem Toten, der heimlich verschwinden soll.
    Um sein Opfer spurlos zu beseitigen, hat ein Mörder gar nicht so viele Möglichkeiten, wie der Laie denkt. Das Meer schwemmt die Toten an, selbst dann, wenn sie mit Gewichten beschwert sind; denn die Gewichte können sich lösen. Streunende Hunde, Bau- und Waldarbeiter oder Spaziergänger finden verscharrte Leichen. Mörder, die ihre Opfer verbrennen, lassen Asche und Knochen zurück. Kaum ein Versteck bietet Sicherheit vor der Entdeckung. Aber ein harmloser Sarg, in den niemand mehr blicken will — darauf wird kaum jemand kommen.
    Hatte sich der Blonde das gedacht? Wollte er einen Toten für immer von der Bildfläche wischen?
    Wen?
    Ich dachte an Phil. Und’plötzlich hatte mein Magen mit einem Bleiklumpen zu kämpfen.
    Der Blonde war an den Klippen gewesen. Auch dort hätte er einen Toten loswerden können. Aber die Gefahr, daß er irgendwo an den Strand treibt, daß ihn Patrouillenboote der Wasserpolizei finden — die Gefahr war groß. Der Blonde wollte kein Risikö eingehen. Er wohnte am Friedhof, sein Weg hierher war kurz. Vermutlich hatte der Kerl gewußt, daß hier ein Sarg stand, der für immer geschlossen bleiben sollte. Vermutlich fand morgen — heute die Beerdigung statt. Niemand würde ahnen, daß die Erde zwei Tote aufnimmt.
    Ich löste mich von der Wand, trat auf den Kiesweg und ging nach vorn zur Tür der Kapelle. Sie ließ sich nicht öffnen.
    Ich knipste das Feuerzeug an und untersuchte das Schloß. Es war so einfach, daß ich nur ein Stück Draht brauchte, um die Stahlzunge zurückzuziehen. Mein Fuß trat auf etwas. Es klirrte leise.
    Ich bückte mich, leuchtete den Boden ab und fand einen kurzen Kupferdraht auf der Steinstufe. Der Blonde hatte ihn gebogen, benutzt und achtlos fallen lassen. Jetzt diente er mir als Schlüssel.
    Ich fand einen Schalter und knipste das Licht an. Nur eine kleine Laterne unter der Decke verbreitete wäßrigen Schein.
    Ich schloß die Tür, ging zu dem Sarg und räumte die Kränze und Sträuße zur Seite. In die weißen Bänder waren Worte gestickt: Wir vergessen dich nie — Unserem

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