Jerry Cotton - 0564 - Der Mann mit der roten Peruecke
raunte er den anderen zu. »Ihr kommt erst ’raus, wenn ich das Signal gebe, daß die Luft rein ist!« Sie nickten. Und dann verschwanden sie. Der kurzsichtige Neger hatte nicht einmal erkannt, daß ein Mädchen unter ihnen war.
***
Als ich wieder zu mir kam, war es neun Uhr und einunddreißig Minuten auf meiner Armbanduhr. Ich hob lahm den Kopf. Von den jungen Schlägern war nichts zu sehen. Aber die Schwingtüren wippten noch. Lange konnte ich also nicht bewußtlos gewesen sein.
Ich wollte mich hochstemmen, aber mir wurde schwindelig. In meinem Gesicht gab es ein paar Stellen, die wie Feuer brannten. Ich blieb auf den kühlen Kacheln liegen und schloß die Augen wieder. Zwanzigmal tief durchatmen, verordnete ich mir.
Noch bevor ich soweit war, spürte ich eine Berührung an meiner Schulter. Ich warf mich herum. Wenn die Kerle zurückgekommen waren, sollte es mir recht sein. Ich brauche eine Anlaufzeit, bevor ich in der Lage bin, halben Kindern als ernst zu nehmenden Gegnern gegenüberzutreten. Jetzt war ich soweit. Ein paar Totschläger, ein Messer und eine Fahrradkette hatten mir ziemlich schnell klargemacht, daß ich keine Kinder vor mir hatte, bei denen man sich zurückhalten mußte. Ein zweites Mal würden mich die Kerle nicht auf die Bretter schicken — oder auf die Kacheln.
Ich wollte aufspringen, aber das linke Bein knickte mir weg. Vor meinen Augen waren nur verschwommene Umrisse wahrzunehmen. Dennoch erkannte ich das Gesicht eines weißhaarigen Negers, der sich über mich beugte.
»Soll ich einen Arzt holen, Sir?« fragte der Mann.
»Einen Arzt? Wozu?« knurrte ich.
»Aber Sie sind böse zugerichtet, Sir.«
Ich wischte mir Blut aus den Augen und kam endlich so weit hoch, daß ich sitzen konnte.
»Ich habe nichts gebrochen«, sagte ich rauh. »Und ein paar Schrammen hält mein Gesicht aus. Es sind nicht die ersten.«
Der alte Neger betrachtete mich aufmerksam. »Ein paar Sekunden lang dachte ich, Sie würden mit den Kerlen fertig werden«, meinte er. »Aber Sie hätten Ihren Revolver nicht hingeben dürfen.«
»Ach ja«, brummte ich. »Wo ist er überhaupt? Haben die Burschen ihn mitgenommen?«
Er sah sich um. Dann ging er fort und brachte ihn mir. Ich schob ihn zurück in die Halfter. Wenn sie nicht den kleinen Jungen gehabt hätten, wäre die Szene anders verlaufen. Aber das ist es ja, was alle skrupellosen Banditen auf dieser Erde immer erst einmal für eine gewisse Zeit überlegen macht, daß sie mit Geiseln umspringen und einen damit unter Druck setzen können. Aber noch war nicht aller Tage Abend. Der Blonde hatte ein Messer geführt, das nach Bundesgesetz verboten ist. Damit hatte er mir die nötige Handhabe geliefert,’ um eine FBI-Fahndung nach ihm anzukurbeln. Wir würden ihn schon finden, diesen kleinen Gangsterhäuptling.
Ich rappelte mich auf. Vorn neben der Tür gab es drei Waschbecken. Ich ließ kaltes Wasser in eins laufen, tauchte das brennende Gesicht hinein und tupfte mir behutsam das Blut ab. Der Alte gab mir ein weiches Handtuch.
»Das ist jetzt besser als diese Papierdinger«, meinte er.
»Danke, Freund.«
Ich trocknete mich ab. Ein paar tiefe rote Schrammen blieben. Aber wenn ich mich recht erinnerte, hatte ich schon viel schlimmer ausgesehen.
»Kannten Sie die Burschen?« fragte ich und griff nach den Zigaretten.
»Sie waten schon einmal hier«, sagte der Alte. »Ungefähr vor drei, vier Wochen. Aber da haben sie mich nicht geschlagen.«
»Die tun’s auch nicht wieder«, versprach ich ihm. »Denen helfen wir jetzt zu einer ruhigeren Karriere. Es gibt immer noch ein paar schöne, handfeste Berufe, die man in unseren Besserungsanstalten lernen kann.«
Ich zündete mir die Zigarette an. Anhaltspunkte hatten wir genug von den Burschen. Ich wußte, daß der Anführer aus Brooklyn kam, er hatte mir ja sogar großzügiger- und von ihm aus leichtsinnigerweise den Stadtteil verraten — Spearland —, und die Gesichter kannte ich auch. Mitsamt ihrer hübschen Einheitskleidung. Das war jetzt kein Problem mehr. Denn auf eins kann man bei diesen Brüdern wetten: Die rannten auch morgen noch in ihrer Uniform herum.
Als ich hinaus in den Tunnel trat, kam Phil gerade von der Treppe her, die zum Bahnsteig hinaufführte.
»Wie siehst du denn aus?« rief er erschrocken.
»Nett von dir, daß du so regen Anteil an meinem Wohlbefinden nimmst. Statt dessen hättest du lieber die Bande von jugendlichen Rowdys auf halten sollen, die vor drei oder vier Minuten herausgekommen sein
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