Jerry Cotton - 0567 - Auf Bestellung eine Leiche
sich die Stimmung im »Teufelsnest« wenig von der Langeweile, die bei einem Vortrag über altenglische Literatur herrschen würde. Knapp ein Dutzend Gäste saßen nur im Lokal und unterhielten sich im Flüsterton. Die Band spielte nicht so laut wie sonst, und die Mädchen lehnten gähnend an der Bartheke.
Charly Carroco kam sofort auf mich zu, kaum daß ich den Fuß in sein Lokal gesetzt hatte. »Hallo, Polizist«, sagte er. Kaschemmenbesitzer sehen unsereinem den Beruf an der Nasenspitze an.
»FBI«, sagte ich. Carroco machte eine kleine, respektvolle Verbeugung. »Ein G-man fehlte noch. Alle anderen Sorten Polizei waren schon hier, Uniformierte und Zivilisten, einfache Cops und Detektiv-Lieutenants.«
»Kamen Chilton und seine Freunde schon früher in Ihren Laden, Carroco?«
»Sie waren einige Male hier.«
»Chilton zog eine große Party auf. Er zahlte, nicht wahr?«
»Er ließ mich ein dickes Dollarbündel sehen und sagte, ich solle auffahren lassen, was ich zu bieten hätte: Girls, Champagner, Whisky.«
»Haben Chilton, Rivera und Weed auch früher schon bei Ihnen groß aus- und angegeben?«
Carroco grinste dünn. »Angegeben — das ja, aber sonst gingen sie mit ihrem Geld immer recht knauserig um.«
»Zeigen Sie mir das Zimmer, in dem der Mord passiert ist.«
»Der Raum ist von der Mordkommission versiegelt worden.«
»Auf jeden Fall will ich mir die erste Etage ansehen.«
Der Wirt begleitete mich nach oben. Der Korridor lag im trüben Licht zweier kahler Glühlampen. Die erste Tür auf der linken Seite war mit einer Plakette und einem Polizeistempel versiegelt. Ich ging daran vorbei und öffnete eine der anderen Türen. Der Raum war wie ein billiges Hotelzimmer eingerichtet. »Hier schlafen die Musiker und die Girls, die zum Stammpersonal gehören.«
»Kann man nur vom Lokal hier heraufkommen?«
Carroco antwortete widerwillig, aber er hielt es offenbar für richtig, nichts zu verschweigen. Er zeigte auf eine Tür am Ende des Korridors. »Dort geht es zum Treppenhaus.«
»Ist die Tür verschlossen?«
»Nicht immer«, knurrte er.
»War sie in der vergangenen Nacht verschlossen?«
»Nein. Die Leute von der Mordkommission fanden sie unverschlossen.«
»Der Mörder also vermutlich auch. Wer hat die Tür aufgeschlossen?«
»Die Musiker, die Mädchen und zwei Kellner haben Schlüssel. Sie können ja nicht am Tage durch das Lokal gehen, wenn sie das Haus verlassen wollen. Irgendwer hat nicht wieder abgeschlossen, aber natürlich will es niemand gewesen sein. Außerdem ist es ein einfaches Schloß, leicht mit einem Dietrich zu öffnen.«
Wir gingen in das Lokal zurück. Am Fuß der Treppe stand ein schwarzhaariges Mädchen in einem grünen Paillettenkleid, dessen Ausschnitt ebenso großzügig war wie der Abstand zwischen Knie und Kleidersaum. »Spendieren Sie mir einen Drink, Polizist! Ich bin Sandra!«
»Polizisten haben kein Geld für Drinks, scher dich zum Teufel!« schnauzte Carroco sie an.
»Ich habe gerade noch ein paar Steuer-Dollar in der Tasche. Da ich ohnedies noch ein wenig mit Ihren Angestellten sprechen will, kann ich auch mit Miß Sandra anfangen.« Ich berührte den Arm des Mädchens. »Kommen Sie!« Ich dirigierte sie zur Bar. Sie schwang sich auf einen Hocker, und ich sah lieber nicht hin, was mit ihrem Kleid geschah.
»Hören Sie, Polizist! Ich will, daß Sie dieses blonde Biest fassen, das mich bei Herbie Chilton auszustechen versuchte.«
»Von diesem Girl ist in den Protokollen der Mordkommission die Rede. Sie nannte sich Sue, wie Chilton aussagte. Angeblich hatte er mit ihr eine Verabredung, aber er schickte Weed hinauf in die erste Etage. Als Weed dann ein Ständchen gebracht werden sollte, war er schon tot.«
»Wissen Sie, G-man, vielleicht hört es sich so an, als könnte ich Ihnen auch nicht mehr dazu sagen. Ich war wütend auf die andere, weil Chilton sie mir vorzog. Eine Frau sieht besser als ein Mann, was mit einer anderen Frau los ist. Diese angebliche Sue gehörte nicht zu uns. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Sie gehörte nicht zu den Mädchen, die normalerweise in einer Kaschemme wie dieser die Nächte verbringen, meinen Sie das, Sandra?«
Sie nickte nachdrücklich. »Ich habe ihre Hände gesehen, G-man. Sie trug einen Ring, der mindestens fünftausend Dollar gekostet hat, und als sie diesen Laden verließ, nahm sie ihren Nerz, den sie nachlässig auf einen Stuhl gelegt hatte. Ich habe auch einen Nerz, G-man, aber meiner hat zweihundert Dollar bei Macy’s
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