Jerry Cotton - 0569 - Perlen Mord und heisse Traenen

Berührung zurückwich.
    Ich faßte mit der anderen Hand nach und erwischte einen sackartigen Gummibeutel, der mit einem Lederriemen an einer der dicken Holzdalben befestigt war.
    Bevor ich mich näher mit dem Beutel beschäftigen konnte, mußte ich wieder auftauchen, um Luft zu schöpfen.
    In diesem Augenblick schoß etwas Dunkles auf mich zu. Ich spürte einen Schlag gegen den Kopf.
    Zum Glück verlor ich nicht das Bewußtsein. Ich klammerte mich fest an den Dückdalben.
    Keine zwei Yard von mir entfernt, schaukelte ein Boot, gegen dessen Kiel ich beim Auftauchen gestoßen sein mußte.
    Im Boot saßen zwei Männer, die sich in einer mir unverständlichen Sprache unterhielten. Wenn sie nicht näher herankamen, würden sie mich nicht entdecken. Sie blickten zum Schulschiff hinüber, von dem sie irgend etwas zu erwarten schienen.
    So vergingen vielleicht fünf Minuten, ohne daß ich meine Lage verändern konnte.
    Dann blitzte auf der »Arizona« mehrmals hintereinander eine Taschenlampe auf. Wenn mich nicht alles täuschte, kam das Licht aus dem Bullauge der Unteroffiziersmesse.
    Einer der Männer im Boot gab ebenfalls mit einer Lampe ein kurzes Erkennungssignal. Dann war es wieder so dunkel wie vorher.
    Vorsichtig tauchten die beiden die Riemen ins Wasser, drehten die Spitze des Bootes zum Pier und steuerten genau auf mich zu.
    Im gleichen Augenblick flammte auf dem Wachtturm am Kai ein greller Scheinwerfer auf und tastete sich wie ein weißglühendes Lichtbündel über die Wasseroberfläche.
    Sofort tauchte ich unter.
    Keine Sekunde zu früh. Der Scheinwerfer hatte den Kahn erfaßt und ließ ihn nicht mehr los.
    An der Bewegung des Wassers merkte ich, daß das Boot dicht an mir vorbeiglitt.
    Vorsichtig, durch einen Stamm des Dückdalben gedeckt, tauchte ich auf.
    Vom Ufer her vernahm ich das Aufheulen eines Motors, und dann schoß ein Marineboot mit aufgeblendeten Scheinwerfern auf das Boot zu.
    Ich tauchte erneut, bis ich den Gummibeutel erreicht hatte. Ich versuchte, den Lederriemen zu lösen. Da ich kein Werkzeug oder ein Messer bei mir hatte, war das nicht so einfach. Aber nachdem ich noch zweimal Luft geschnappt hatte, bekam ich den Beutel endlich los.
    Dann wartete ich unter dem Dalben, bis das Marineboot mit dem Kahn im Schlepp aus meiner Nähe war.
    In gleichmäßigen Stößen schwamm ich zur »Arizona« zurück.
    ***
    Der Mann am Bullauge der Unteroffiziersmesse beobachtete das Manöver. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Fratze, als er sah, wie das Marineboot den Kahn aufbrachte.
    Wie sollte er jetzt an den Gummibeutel herankommen, in dem sein ganzes Vermögen steckte. Zwei prall gefüllte Ledersäckchen mit Perlen!
    Er wußte, daß Simpson das dritte Ledersäckchen im Golden Gate abgeliefert hatte. Er wußte auch, wie gefährlich Li Kan Tu war, die den Tod Pin Tus brutal für ihre Zwecke ausnutzte.
    Fieberhaft überlegte der Mann, was er unternehmen sollte. Er mußte den Gummibeutel wieder in seinen Besitz bringen, denn am Tag war es unmöglich, am Pier zu tauchen und die Perlen nach oben zu holen.
    Um zehn Uhr würde er als einer der ersten seinen Landurlaub antreten, von dem er nicht mehr auf das Schiff zurückkehren wollte…
    Er überdachte noch einmal das Für und Wider seiner Lage und kam zu dem Entschluß, die Perlen zurückzuholen.
    Er verließ das Schiff auf dem gleichen Weg wie beim erstenmal. Niemand entdeckte ihn, als er auf den Dückdalben zuschwamm.
    Dann tauchte er.
    Zwei-, dreimal schwamm er zwischen den Baumstämmen hindurch, kam wieder an die Oberfläche, um Luft zu holen, tauchte erneut — der Gummibeutel war verschwunden.
    Der Mann schwamm zum Schulschiff zurück, kletterte lautlos am Tau hoch und verschwand durch das Bullauge.
    In seiner Kabine zog er sich um und schlich dann die Gangway des Zwischendecks entlang. Er kannte jeden Winkel des Schiffes.
    Vor der Tür, die zu meiner Kabine führte, kauerte er sich nieder. Nur dieser verdammte Harrison, dachte er, der seit Tagen auf der »Arizona« herumschnüffelt, kann der Mann sein, der mir ins Gehege gekommen ist.
    Dieser Mann haßte mich. Wenn er mich umbrachte, konnte er sein kostbares Eigentum wieder an sich bringen. Aber das war der letzte Ausweg. Denn er wußte, daß man ihn dann erbarmungslos hetzen würde. Denn er wußte ebensogut, daß ich ein FBI-Agent War.
    Nein, er mußte einen anderen Weg suchen.
    Gleich neben der Kabinentür befand sich ein schmaler Wandschrank, in dem sich ein Mensch bequem verstecken