Jerry Cotton - 0577 - Staatsempfang fuer einen Moerder
teilte man mir mit, »und Fragen will er nur zwei oder drei zulassen. Er stellt zur Bedingung, daß die Vernehmung das Mädchen weder anstrengt noch aufregt. Der Arzt hat nur fünf Minuten Besuchszeit genehmigt — einschließlich der Prozedur der Testamentsübergabe.«
»Das genügt«, sagte ich und legte auf.
An diesem Abend ereignete sich nichts Besonderes mehr. Ich rief Lieutenant Harper an und erfuhr von ihm, daß Hank Wade stur dabei blieb, mich gegen ein Entgelt von hundert Dollar angesprochen zu haben und nicht zu wissen, wer der Geldgeber war, oder was sich hinter dem Scherz verbarg.
Auch die Nacht blieb ruhig. Der Zimmertrick, den wir im Krankenhaus praktiziert hatten, erwies sich als nutzlos. Der Mörder ging uns nicht in die Falle.
Entweder wußte er noch nicht, daß Viola Lavola mit dem Leben davongekommen war, oder er hatte gute Gründe, nicht im Krankenhaus aufzukreuzen.
Am nächsten Morgen trafen Wyler, Steve Dillaggio, Phil und ich zur festgelegten Zeit im Krankenhaus ein. Steve blieb außerhalb des Krankenzimmers. Viola war bei vollem Bewußtsein.
Wie wir hörten, hatte sie eine ruhige Nacht verbracht. Ein großer Kopf verband ließ ihr Gesicht schmal, jung und hilflos erscheinen. Der Arzt hatte darauf bestanden, während unseres Besuches zugegen zu sein. Er baute sich mit mürrischem Gesichtsausdruck am Fußende des Bettes auf. Durch seine Haltung machte er deutlich, daß er nicht bereit war, uns länger als fünf Minuten im Zimmer zu dulden.
Wyler verlor keine Zeit. Er sprach mit stockender Stimme und erkundigte sich, ob er befugt sei, den Umschlag in Miß Lavolas Namen zu öffnen.
Viola nickte.
Phil und ich standen hinter dem Anwalt. Wir blickten ihm über die Schulter, als er die Siegel erbrach und den Umschlag öffnete. Mit spitzen Fingern und feierlichem Gesichtsausdruck zog er den Inhalt hervor.
Violas Augen waren groß und angstvoll, als ahnte sie, daß diese Testamentseröffnung nichts Gutes bringen würde.
Wyler straffte sich. Verblüfft blickte er uns an. Was er in Händen hielt, war eine fast fingerdicke Lage weißes Papier. Klosettpapier, um genau zu sein.
***
Selbst der Arzt zeigte in diesem Augenblick Verblüffung. Wyler entfaltete das Papier. Er hielt es gegen das Licht. An keiner Stelle zeigten sich Schriftspuren.
»Das ist ja verrückt«, murmelte Wyler ratlos. »Verstehen Sie das?«
»Natürlich«, sagte ich. »Das echte Testament wurde gestohlen. An seiner Stelle wurde dieses Papier in den Umschlag geschoben.«
»Der Umschlag war versiegelt!« erklärte Wyler.
»Na und?« meinte ich. »Der Täter hat sich einen anderen genommen und neue Siegel angebracht.«
»So einfach ist das nicht«, erklärte Wyler kopfschüttelnd.
Phil nahm ihm das Papier und den Umschlag ab. Es war klar, daß sich unser Labor damit befassen mußte. »Arnold pflegte das Siegel im Safe unter Verschluß zu halten«, schloß Wyler.
»Wir werden dahinterkommen, wer das echte Testament gestohlen hat«, versicherte ich ihm. Ich trat an Violas Bett. »Wer hat Sie niedergeschlagen und später entführt?«
»Ich weiß es nicht«, hauchte das Girl. »Der Mann war maskiert. Er klingelte an meiner Tür — so gegen vier Uhr nachmittags. Als ich ihm öffnete, drängte er mich über die Schwelle zurück. An mehr erinnere ich mich nicht.«
»Das ist genug«, sagte der Arzt und blickte auf seine Uhr. »Ich muß Sie bitten, jetzt zu gehen.«
»Nur noch eine Frage«, bat ich ihn und blickte Viola an. »James Ridge wurde das Opfer eines Gewaltverbrechers. Haben Sie einen Verdacht, wer es getan haben könnte?«
Violas Augen schimmerten feucht. »Nein«, flüsterte sie.
Wir gingen hinaus.
»Ich bin völlig am Ende«, murmelte Fred Wyler, der einen verstörten, deprimierten Eindruck machte. »Diese Sache wird mich ruinieren. Wie konnte Arnold das nur zulassen?«
Ich blickte ihn an. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Arnold hat das Testament entgegengenommen. Er bewahrte es auf. Er muß etwas falsch gemacht haben.«
»Denken Sie dabei an einen bestimmten Vorgang?« wollte ich wissen.
Wyler schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin noch völlig durcheinander. Ich habe keine Erklärung dafür. Ich kann und will nicht glauben, daß Arnold etwas Unrechtmäßiges getan hat. Er war die Redlichkeit in Person.«
»Jedenfalls wissen wir jetzt, warum Viola Lavola im Krankenhaus nicht angegriffen wurde«, stellte Phil grimmig fest. »Der Täter wußte, daß sie nicht dazu imstande sein würde, ihn zu
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