Jerry Cotton - 0589 - Ein Toter stellt die Falle
Silbrig schimmerten Blätter und Gräser. Über dem Long Island Sound regte sich kein Lüftchen. Wir stiegen in den Mustang und begannen die Rückfahrt nach New York.
***
Geo Ash parkte seinen blauen Imperial in der 14. Straße, unweit der Greenwich Avenue. Bessner und Aiston, beide unausgeschlafen und mit mürrischen Gesichtern, saßen im Fond und blieben dort, während Ash ausstieg und die Straße hinabging. Er kam an einem Drugstore vorbei, an einer Parfümerie, einem Molkereiwarenladen und an einer Tankstelle. Im nächsten Block war Kings Einrichtungshaus untergebracht, eine beachtliche Firma. Schaufenster im ersten und zweiten Stock, eine lange Reihe Möbel. Elegant eingerichtete Stilzimmer, Zimmer für Teenager und vollautomatische Anbauküchen. Arbeitszimmer und Klubzimmer. Schlafzimmer mit herkömmlichen Betten, mit halbrunden, drehbaren und Ehebetten, zwischen denen man mit Knopfdruck eine lichtundurchlässige Trennwand aufrichten kann. Mr. Fitzgerald Kings Einrichtungshaus.
Ash trat ein.
Eine vollbusige Blondine, die dezent geschminkt war, kam auf ihn zu. Ihr Berufslächeln war angeknipst.
»Bitte sehr, Sir?«
»Ich möchte den Chef sprechen.«
»Mr. Fitzgerald King?«
»Ja. Oder gibt es denn hier noch einen anderen Chef?«
»Mr. Myers, der Teilhaber.«
»Nein, ich will zu Mr. King.«
Eine Minute später saß er dem Alten im Büro der zweiten Etage gegenüber. King war kahlköpfig und fett. Er litt an Gallensteinen, trank aber Whisky und versuchte seine Sünden durch Pillen wettzumachen.
Er blinzelte Ash durch die Gläser seiner randlosen Brille an. »Kennen wir uns nicht? Wie war noch der Name? Ash? Mr. Geo Ash? Jetzt fällt es mir ein. Sie haben bei mir gewohnt. In der Bude Central Park West. Vor reichlich sechs Jahren. Stimmt es?«
Ash lächelte. »Sie haben ein ausgezeichnetes Gedächtnis, Mr. King. Ihr Haus am Central Park — das ist der Grund, warum ich hier bin. Ich möchte es gern mieten.«
»Mieten? Das ganze Haus?«
Ash nickte. »Viele meiner Freunde wohnen dort in der Nähe. Außerdem arbeite ich in der 85. Straße. Das ist der Grund. Im übrigen verdiene ich jetzt so reichlich, daß ich mir ein ganzes Haus leisten kann.«
King kratzte sich am Ohr. »Ich würde Ihnen gern die Bude überlassen, Mr. Ash. Aber ich habe leider nicht freie Hand. Die jetzigen Mieter haben Verträge. Jeweils für fünf Jahre. Letzten März habe ich die Verträge verlängert. Sind alles ordentliche Leute, zahlen pünktlich die Miete und halten das Haus in Schuß.«
Ash war enttäuscht. »Sie hätten von mir eine hohe Miete bekommen, Sir.« King spielte mit dem Federhalter. »Tut mir leid. Drei Monate eher, und ich hätte Ihr Angebot akzeptieren können. Jetzt ist nichts zu machen.«
Ash bedankte sich und verließ den Alten. Das war ein Fehlschlag gewesen. Was nun? In das Haus wollte er, und sei es mit Gewalt. Er ging zum Wagen zurück und stieg ein. Bessner schielte ihn von der Seite an. Der Mörder war unsicher. Seit letzter Nacht fühlte er sich nicht wohl in seiner Haut. Vielleicht war diese Helen May doch noch in der Nähe. Einer Frau wie der, mit allen Wassern gewaschen, konnte man Zutrauen, daß sie noch lange nicht aufgab. Möglich, daß sie die Bude belauerte. Diamanten für eine Million. Vor sechseinhalb Jahren geraubt, also längst nicht mehr heiß! Bessner leckte sich die Lippen.
»Pleite, Boß?« Das Frettchen war aufgekratzt. Vor wenigen Minuten hatte es eins der Heroinbriefchen, die es ständig bei sich führte, geöffnet und den Inhalt geschnupft.
Ash nickte. Er trommelte aufs Lenkrad. Seine Gedanken mahlten.
»Boß, Mensch, ich hab’ ’ne Idee.« Das Frettchen sprudelte. »Heute morgen, als wir an dem Haus vorbeifuhren, kam doch der Milchwagen vorbei. Der Fahter hat, das konnte ich genau beobachten, fünf Halbliterflaschen vor die Tür gestellt, ’reingeholt hat sie niemand. Jedenfalls nicht während der nächsten Minuten. Nicht, solange wir dort geparkt haben. Das gibt uns ’ne Chance.«
Ash drehte sich um. Seine kalten Augen verengten sich. »Nicht schlecht — falls du dasselbe meinst wie ich. Nicht schlecht, Mortimer. Erzähl weiter!«
»Ich wette, die Leute dort kriegen jeden Tag ihre Milch. Fünf Halbliterflaschen, das dürfte bedeuten: fünf Bewohner. Jetzt liegt es an uns, morgen früh die Flaschen auszutauschen gegen fünf andere, die wir vorher präpariert haben.«
»Womit?«
»Ich denke an irgendein Gift. Zyankali oder so. Nicht, daß wir die Leute gleich
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