Jerry Cotton - 0596 - Ein Koeder fuer den Killer
den Gegner auf Distanz zu halten, aber er ließ mich leerlaufen und stoppte meinen ersten, ziemlich hilflosen Gegenangriff mit einer präzise geschlagenen Körperdublette.
Wenn er in diesen Sekunden seine Chance gewahrt und mir einen Treffer auf den Punkt gesetzt hätte, wäre die Auseinandersetzung schon beendet gewesen.
Aber er gab sich nicht damit zufrieden, mich gleichsam überrumpelt zu haben. Er trieb mich vor sich her, er ergötzte sich an meinem Torkeln und Stolpern, er vergnügte sich an meiner Hilflosigkeit. Wenn er meinte, daß ich zu munter wurde, forcierte er das Tempo ein wenig. Er verteilte nach Gutdünken Tiefschläge und lachte, wenn der Schmerz meine Gesichtszüge auseinanderriß.
Das Lachen gab mir Auftrieb. Es mobilisierte Reserven, die ich schon verloren geglaubt hatte. Ich konzentrierte mich darauf, seine Schläge abzublocken und die nächste Minute ohne ernsthafte Treffer zu überstehen. Währenddessen merkte ich, wie die bleierne Schwere aus meinen Beinen wich. Ich bekam mehr Luft und hatte weniger Mühe, seinem Angriff auszuweichen.
Er jedoch war überzeugt, mich nach wie vor mühelos von den feinen holen zu können.
Dann kam seine zweite Offensive. Sie führte dazu, daß er geradewegs in meine Linke marschierte. Noch ehe er sich von seinem Erstaunen erholt hatte, kassierte er auch meine Rechte. Er hatte auf einmal Mühe mitzugehen. Er keuchte laut und bekam den gläsernen Blick des Angeschlagenen. Ich überstand seinen letzten wilden Ausfall und knallte ihm dann die Linke auf den Punkt.
Er ließ hilflos beide Arme fallen. Sein Kopf fiel zur Seite. Eine Sekunde lang sah er geradezu grotesk aus, wie jemand, der im Stehen einschlafen will. Dann fiel er um und blieb liegen.
Ich stieß die Luft aus. Gerade als ich mich bücken wollte, um den Burschen um seine Papiere zu erleichtern, kam der Angriff von hinten.
Ich versuchte, in letzter Sekunde herumzuzucken, aber die Reaktion kam zu spät. Irgend etwas traf mich mit enormer Wucht am Kopf.
Ich kippte vornüber und verlor das Bewußtsein.
***
In meinem Mund war ein salzig-herber Geschmack. Blut. Ich wälzte mich auf den Rücken und hob die Lider. Über mir brannte eine Neonröhre der Tiefgarage. Meine Erinnerung setzte ein. Ich stemmte mich hoch.
Ich war allein in der Garage. Ich kam leicht benommen auf die Beine, froh, daß mich in diesem Augenblick niemand sah. Mir klebte das Haar auf der Stirn, und ich sah auch sonst nicht so aus, als sei ich geeignet, das FBI zu repräsentieren.
Ich zerrte den Schlips zurecht und klopfte den Schmutz aus meinem Anzug. Dann fuhr ich mit meinen Fingern durch das Haar und tastete mein Gesicht ab. Es war unverletzt. Nur die Unterlippe war aufgeplatzt. Sie war die Erklärung für den Blutgeschmack in meinem Mund.
Der Bursche mit dem slawischen Gesicht war also mit einem Komplicen hergekommen. Es war mein Pech gewesen, daß ich den zweiten Mann nicht bemerkt hatte.
Der Lift brachte mich erneut nach oben. Die Tür zur Wohnung der Ambushs stand noch immer offen. Ich drückte auf den Klingelknopf und hörte, wie in der Diele ein Dreiklanggong anschlug. Niemand kam zur Tür.
Ich klingelte noch zweimal, dann betrat ich die große quadratische biele. »Hallo?« rief ich.
Ein dumpfes Stöhnen antwortete mir. Ich öffnete die Tür zum Wohnzimmer und trat über die Schwelle.
Es war ein enorm großer, sehr geschmackvoll und teuer eingerichteter Raum. Die alten, kostbaren Möbel waren sehr eindrucksvoll, aber noch eindrucksvoller war das Bild, das sich mir zwischen den beiden Fenstern bot.
Dort saß Terry Ambush. Er war an einen Stuhl gefesselt worden. Vor seinem Mund straffte sich ein im Nacken verknotetes Halstuch. Es hinderte ihn daran, den Knebel auszuspucken.
Ambush’ Kopf war hochrot. Die Augen traten ihm aus den Höhlen. Es war offensichtlich, daß er nicht genügend Luft bekam.
Mit wenigen Schritten war ich bei ihm. Ich riß ihm das Halstuch ab und zog den Knebel aus seinem Mund. Ambush’ Kopf fiel mir haltlos entgegen. Er hatte das Bewußtsein verloren.
Ich band ihn los. Noch ehe ich den letzten Knoten gelöst hatte, kam Ambush wieder zu sich. Ich bettete ihn auf die Couch und holte ihm ein Glas Wasser aus dem Badezimmer. Er nahm einen Schluck und spuckte ihn sofort wieder aus.
»Geben Sie mir einen Whisky, bitte«, krächzte er.
Ich erhob mich und trat an die Hausbar, fischte zunächst ein paar Eiswürfel aus der Kühlbox und füllte das Glas zu einem Drittel mit Bourbon. Ambush leerte es mit
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