Jerry Cotton - 0597 - Einstimmig fuer meinen Tod
war so furchtbar einfach, daß sie ein Polizeirekrut verstehen mußte: Durch Linda Benson waren wir auf die Fährte eines offenbar groß angelegten Geldverleihgeschäfts gestoßen. Daß die Opfer keine freundlichen Gefühle für ihre angeblichen Wohltäter empfinden konnten, war völlig klar bei der Höhe der Zinsen, die die Burschen erbarmungslos und unter Androhung von nacktem Terror eintrieben. Ließen diese Leute zu, daß ein Opfer gegen sie auspackte, dann konnten es bald zehn und wenig später auch schon fünfzig Zeugen sein, die gegen sie aussagten. Damit aber wären sie geliefert gewesen. Also mußten sie schnellstens jedem den Mund stopfen, der vielleicht schon mit dem Gedanken spielte, zur Polizei zu gehen wie diese Frau, deren Bild in der Zeitung gewesen war. Und wie konnten sie jede Idee von auf keimendem Mut besser ersticken, als indem sie die Frau umbrachten? Dann war dem Dümmsten klar, daß die Polizei nicht fähig war, ihre Zeugen zu schützen.
»Halten Sie da vorn an der Ecke! Da steigt noch einer zu«, sagte ich.
»Solange die Sitzplätze reichen«, meinte der Fahrer.
Phil kam ein wenig atemlos herein. Er schob sich den Hut ins Genick und fing an, seine Krawatte zu binden. Inzwischen erzählte ich ihm, um was es ging. Er machte große Augen.
»Diesem Mistkerl sollte man die Zähne ohne Betäubung ziehen«, knurrte Phil. »Seit wann ist denn das verdammte Schmierblatt im Handel?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich seit gegen fünf. Das ist doch so die Zeit, wo sie bei uns die Zeitungsballen ausfahren.«
»Mahlzeit«, brummte Phil. »Und jetzt ist es fast acht.«
Wir sprachen nichts mehr, bis wir in die Gegend kamen, in der Linda Benson wohnte. Da hörten wir das erste schrille Geklingel einer Feuerwehr. Ein roter Löschzug raste an uns vorbei, von der ersten Feuerstation im südlichen Manhattan. Die Jungs sind so berühmt wie unsere Baseballstars, und sie haben es noch mehr verdient. Gleich darauf brach die Hölle los. Gellende Polizeisirenen kreischten um die Wette mit den Signalhörnern von Krankenwagen. Und dazwischen immer wieder das Geklingel der Feuerlöschzüge.
»Die wollen in dieselbe Gegend, Mister«, sagte der Fahrer.
»Das ist es ja«, knurrte ich und suchte schon Kleingeld zusammen für den Fahrpreis. Es war vorauszusehen, daß der Taxifahrer nicht durchkommen würde. Und hinter der nächsten Ecke stand auch schon die Straßensperre. Ich drückte dem Fahrer das Geld in die Hand und sprang hinaus.
»FBI!« rief ich dem Cop an der Absperrung zu, ließ meine Plakette blitzen und flankte über den Sperrbock. Phil kam mir ebenso schnell nach.
Wir trabten die Straße entlang, schoben uns zwischen Neugierigen hindurch und erreichten das Haus, das wir gestern so vorsorglich abgeriegelt hatten. Von der Vorderfront fehlte das Stück bis hinauf zur dritten Etage. In den Stockwerken über dem Hochparterre konnte man die umgekippten und zum Teil zerstörten Möbel sehen. Feuerwehrleute stürmten ins Haus. Eine Kette von Cops hatte einen Halbkreis vor dem Gebäude abgeriegelt. Wir zeigten ihnen unsere Ausweise, und sie ließen uns durch.
Das Wohnzimmer von Mrs. Benson, in das man jetzt von der Straße aus hineinblicken konnte, war nur noch ein chaotischer Trümmerhaufen, in dem hier und da Flämmchen züngelten. Die Männer vom ersten Feuerlöschzug erstickten sie mit Kohlensäureschnee. Auf der Treppe, die einmal zur Wohnungstür hinaufgeführt hatte, standen zwei Zivilisten.
»Hallo!« keuchte ich atemlos. »Cotton, FBI. Dürfen wir ’rein?«
»Krippert, Branddezernat, City Police. Das ist Mr. Allerton vom Gaswerk. Natürlich dürfen Sie hinein, aber verändern Sie bitte nichts.«
»Garantiert nicht.«
Wir stiegen über Trümmer und Bruchstücke von Möbeln. In der Küche gab es außer dem schwarz verfärbten und eingebeulten Kühlschrank nichts mehr, was man noch auf Anhieb hätte erkennen können. Rechts gab es von der Wand zum Schlafzimmer hin nur noch in den Ecken Andeutungen von Möbeln. Wir stiegen über zerbrochene Ziegel hinweg.
»Oh, nein«, sagte Phil so leise, daß man es kaum hören konnte.
Wir standen reglos. Hinter uns zischten die Spritzen mit dem Kohlensäureschnee. Vor uns lagen sie. Lag das, was diese ungeheure Explosion von ihnen übriggelassen hatte: Ein etwa neunjähriges Mädchen und daneben die Frau. Ihre Leiber waren zerfetzt, ihre Glieder abgerissen und von der Wucht der Explosion sonstwohin geschleudert.
Ich weiß nicht mehr, wie lange wir da standen.
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