Jerry Cotton - 2907 - Blei ist keine Waehrung
später erfuhren. Die Mündung seiner großen Pistole war genau auf mich gerichtet. Ich erstarrte, die SIG hielt ich in der herabhängenden Hand.
»Wo ist die Kleine?«, fragte Callum. »Sie versteckt sich doch nicht etwa vor uns, oder? Als wir uns das letzte Mal sahen, waren wir noch gute Freunde.«
Ich sah es in seinen Augen. Er würde abdrücken, um sich zu retten.
Es sind Berechnungen, die in solchen Situationen in Sekundenbruchteilen im Kopf ablaufen. Die Schusshand hochreißen und abdrücken? Oder fallen lassen und eine bessere, andere Chance suchen?
Ich war einen winzigen Moment abgelenkt, weil ich in diesem Moment Phils Füße hinter dem Arbeitstisch sah. Er lag am Boden.
Das Gesicht des Gangsters verzerrte sich, als er abdrückte. Ich ließ mich fallen, hörte im Fallen den Schuss, er klang überlaut, bis ich begriff, dass zwei Schüsse gefallen waren.
Phil, der kurz bewusstlos gewesen war, hatte seinen Arm wie eine Feder unter sich hervorschnellen lassen, und er hatte ohne zu zögern durchgezogen.
Allerdings ohne zu zielen.
Der Bullige schrie gellend auf, als die Kugel ihn in die Hüfte traf und die Beine unter ihm wegknickten. Seine Pistole schepperte über den Boden.
»Jerry!«, schrie Phil. »Wo ist Penny?«
»Hier, ich habe sie.« Es war Sarah Hunter. Sie schob sich herein, ihre Waffe mit beiden Händen umklammernd. Sie steckte sie ein. Hinter ihr sah ich eine blasse und zitternde Penny Jordan.
Phil stemmte sich in die Höhe. »Schnapp dir den anderen!«, rief er mir zu. »Er hat Pennys Telefondaten und was weiß ich noch …«
Phil und Sarah würden mit dem verletzten Gangster allein fertig werden. Ich riss die Tür zum Gang auf.
***
Miller wischte sich den Schweiß von der Stirn und kniff die Lider zusammen. Die Sonne verwandelte das Innere des Dodge RAM in einen Brutofen.
Er öffnete die Bodenklappe. Die Maschinenpistole war für einen Einsatz am helllichten Tag mitten in einem belebten Viertel ungeeignet. Er nahm die 9-Millimeter-Glock aus der Halterung und überprüfte die Pistole aus alter Gewohnheit. Er ließ das Magazin herausgleiten, zog den Schlitten zurück und setzte es wieder ein.
Er machte sich Sorgen. Er hatte den braunen Ford bemerkt, der zunächst mit zügigem Tempo in die 35th Street eingebogen war. Er hatte die Fahrerin, eine drahtige Dunkelhaarige, am Steuer gesehen. Sie hatte plötzlich Gas gegeben, dann abrupt gebremst und ihren Ford mitten auf der Fahrbahn, fast quer zur linken Spur, stehen gelassen, war aus dem Wagen gesprungen und in das Gebäude gestürmt, dem seine Aufmerksamkeit galt. Eigentlich galt sein Interesse hauptsächlich dem roten Jaguar, der drei Wagenlängen weiter an einem Hydranten stand.
»Da läuft was schief«, hatte Mark Walsh gesagt. »Wir sollten den Agent vergessen und verschwinden.«
Miller saß hinten in dem bulligen Van. Die Schrammen von dem Angriff des vergangenen Abends hatten die Männer, die auch Lombardis Lieferwagen betreuten, notdürftig mit Sprühlack ausgebessert.
Millers Besorgnis nahm zu. Der Ford der FBI-Agentin verursachte einen rasch zunehmenden Stau. Die ungeduldigen Fahrer veranstalteten bereits ein Hupkonzert.
Miller blickte auf, als Walsh mit den Fingern schnippte und auf den schmalen Durchgang zwischen den beiden ehemaligen Fabrikgebäuden auf der anderen Straßenseite deutete.
Mario, den Koffer mit seinem Computer unter dem Arm, kam herausgerannt und stoppte abrupt, wusste nicht, wohin.
Miller bedeutete Walsh loszufahren, während er die seitliche Schiebetür aufriss und einen schrillen Pfiff ausstieß.
Marios Kopf ruckte herum, dann sah er den Van und spurtete los, sprang in den fahrenden Wagen. Miller zog die Tür zu. Walsh steuerte den schweren Van geschickt zwischen einem Bus und einigen wild gestikulierenden Taxifahrern hindurch und bog in die Eleventh Avenue, bevor der Verkehr vollends zum Erliegen kam.
»Was ist mit Callum?«
»Der ist hin«, keuchte Mario atemlos. »Oder die FBI-Bullen haben ihn.«
Miller presste die Zähne aufeinander. Paul Callum war einer der Typen, die er, der ehemalige Cop, rekrutiert hatte. Callum würde sich weder mit ihm, Miller, noch mit Lombardi in Verbindung bringen lassen. Und, das wusste Miller, Callum würde den Mund halten.
»Hast du die Typen?«, herrschte er Mario an.
»Ich habe haufenweise Telefonnummern, aber die Agents kamen zu früh. Ich brauche Zeit …«
Miller machte eine ungeduldige Geste. Er wandte sich an Walsh.
»Sag den Jungs Bescheid. Sie sollen auf
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