Jerry Cotton - 2908 - Die Fackel der Vergeltung
aus. Mulligatanys Ausstellung fand in einem Loft-Gebäude statt. Auf einem etwa zehn Fuß hohen Plakat war das Porträt des Künstlers zu sehen. Er machte den Eindruck, sehr von sich eingenommen zu sein.
»Bin gespannt, was für ein Typ Mulligatany ist«, meinte Phil. »Hoffentlich nicht so ein hochnäsiger und abgehobener Künstlerschnösel. Auf die stehe ich überhaupt nicht.«
»Da bist du nicht allein«, sagte ich.
Wir gingen auf den Eingang der Ausstellung zu. Er war mit silbernen und goldenen Folien geschmückt und in eine Art Schwarzlicht getaucht. Eine junge, schlanke Frau mit eng anliegendem, dunklem Kleid stand dort, etwas weiter drinnen, wo es wohl nicht so kalt war wie draußen. Als wir näher kamen, sah ich, dass ihr Kleid glänzte, als wenn es aus Latex wäre. Und ich erkannte leuchtende Symbole auf ihren Armen, die mich an altgermanische Runen erinnerten.
»Guten Abend, meine Herren, willkommen bei Mulligatany’s Winterzauber «, sagte sie freundlich. »Darf ich bitte Ihre Eintrittskarten sehen?«
Phil zog seine Dienstmarke aus der Tasche und zeigte sie der jungen Dame. »Wir sind keine Besucher, sondern Ermittler und auf der Suche nach Mister Mulligatany.«
Die junge Frau war überrascht. »Äh … ja dann, er müsste drin sein. Ein Glas Sekt kommt für Sie dann wohl nicht in Frage.«
»Nein, aber danke der Nachfrage«, sagte Phil und lächelte charmant.
»Eine Frage«, sagte ich. »Was genau stellt der Künstler hier aus?«
»Er selbst bezeichnet sich als plastischen Maler«, antwortete sie. »Aber das sind hauptsächlich abstrakte Figuren, die nackte Frauen zeigen.«
»Danke, damit kann ich was anfangen«, sagte ich und folgte Phil ins Innere des Gebäudes.
Wir gingen einen breiten, mit Schwarzlicht ausgeleuchteten Gang entlang, der in einer großen Halle mündete. Dort war es etwas heller und besser beleuchtet, aber immer noch recht düster. Die Halle hatte eine Fläche von schätzungsweise zweihundert Quadratyards und war etwa 15 Fuß hoch. Aus verborgenen Lautsprechern erklang leise klassische Musik. Ich zählte gut ein Dutzend Leute, die in mehreren kleinen Gruppen in der Halle verteilt herumstanden und die Ausstellungsstücke betrachteten. Fast alle trugen dunkle, meist schwarze Kleidung. Unsere Zielperson konnte ich zuerst nicht ausmachen.
»Siehst du ihn?«, fragte ich Phil.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, noch nicht. Aber da hinten, da steht eine Gruppe von Leuten und hört jemandem zu. Vielleicht ihm.«
»Schauen wir mal nach«, sagte ich.
Wir gingen zu den Leuten hinüber, die sich am anderen Ende der Halle befanden. Und dann sahen wir Mulligatany, der mit einer asiatischen Schönheit im Arm irgendetwas erzählte.
Er zog die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer auf sich, sodass wir zunächst nicht auffielen. Wir stellten uns zu der Gruppe und hörten zu.
»… und dann war ich drauf und dran, nach Satisfaktion zu verlangen, doch mein um Harmonie bemühtes Gemüt hielt mich zurück, Gewalt anzuwenden. Und so verlief der Abend zwar anders als geplant, aber dennoch in meinem Sinne und überaus erfolgreich!«, hörte ich ihn reden.
Die Zuhörer klatschten und lachten. Offenbar hatte er eine amüsante Geschichte zum Besten gegeben.
»Ich denke, das ist eine gute Gelegenheit, um anzustoßen«, sagte Mulligatany lächelnd und winkte einer der Kellnerinnen zu, die mit einem Tablett voller Sektgläser etwas weiter entfernt stand.
Die junge Dame, die fast genauso gekleidet war wie die am Eingang, kam zu uns herüber und die Gäste griffen zu. Phil und ich hielten uns selbstverständlich zurück.
»Wahrscheinlich ist der Alkohol zur Lockerung der Stimmung und Steigerung der Kauflust gedacht«, flüsterte Phil mir zu.
»Ja, bestimmt«, entgegnete ich. »Wenn er angestoßen hat, ist das eine gute Gelegenheit, ihn zur Seite zu nehmen.«
Wir warteten kurz ab und gingen dann auf Mulligatany zu, der sich mit seiner Begleiterin im Arm von der Gruppe absetzte und sich in Richtung der nächsten bewegte.
»Mister Mulligatany, wir müssten kurz mit Ihnen sprechen«, sagte Phil und blieb vor den beiden stehen.
Der Angesprochene lächelte. »Oh, mit wem habe ich das Vergnügen? Ich glaube, wir sind uns noch nicht vorgestellt worden.«
»Wir sind vom FBI und hätten ein paar Fragen an Sie«, antwortete Phil. »Können wir uns hier irgendwo ungestört unterhalten?«
Mulligatany lächelte charmant. »Hat das nicht etwas Zeit? Ich bin gerade mitten in einer wichtigen Ausstellung, auf die ich
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