Jerry Cotton - 2925 - Einmal zu viel getrickst
etwas sagen konnte.
»Miss Garcia, Sie sind eine attraktive junge Frau. Agent Cotton und ich haben nicht den Eindruck, als ob die Prestons eine sehr glückliche Ehe geführt hätten. Da ist es doch vorstellbar, dass Ihr Boss Gefühle für Sie entwickelt hat. Und vielleicht beruhten diese Empfindungen ja auch auf Gegenseitigkeit.«
»Nein, gewiss nicht, Agent Decker! Ich bin meinem Verlobten treu.«
Penelope Garcia hielt ihre schmale Hand mit dem Verlobungsring hoch, als ob dieses Schmuckstück irgendetwas beweisen würde. Ich habe leider schon oft erlebt, dass Untreue zwischen Liebenden ein überzeugendes Mordmotiv sein kann.
Ob Preston wirklich eine Affäre mit seiner jungen Angestellten gehabt hatte? Es war ja auch möglich, dass er Penelope Garcia nachgestellt und sie bedrängt hatte.
»Was genau ist vor dem Polizeieinsatz geschehen, den Ihr Verlobter und ein gewisser Don Lewis ausgelöst haben?«, fragte ich.
Penelope Garcias Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen, aber ihre Augen lachten nicht mit. Sie schaute mich immer noch verängstigt an, während sie antwortete.
»Ach, das – das war doch nur ein dummes Missverständnis, Agent Cotton. Die Cops hätten gar nicht anrücken müssen. Ich weiß bis heute nicht, wer überhaupt die Polizei gerufen hat. Manche Leute müssen sich eben immer und überall einmischen.«
Die Hausangestellte wollte den Vorfall offenbar herunterspielen. Aber dadurch steigerte sie mein Interesse nur noch. Sie hatte etwas zu verbergen, daran zweifelte ich nicht. Mit einer Handbewegung forderte ich die junge Latina zum Weiterreden auf.
»Ich kam aus dem Gebäude, hatte gerade Feierabend gemacht. Da sprach mich dieser Kerl an, den ich überhaupt nicht kannte.«
»Don Lewis?«
»Ja, das war wohl sein Name, Agent Cotton. Er behauptete, Fotograf zu sein. Und er meinte, dass ich ein interessantes Gesicht hätte. In diesem Moment erschien mein Verlobter, der mich von der Arbeit abholen wollte. José hatte sich ein wenig verspätet, sonst wäre er schon da gewesen. Und dann hätte sich dieser Don Lewis bestimmt nicht getraut, auf mich zuzukommen.«
»Warum nicht?«
Penelope Garcia merkte, dass sie einen Fehler begangen hatte. Aber dadurch zeigte sie mir nur, dass sie keine abgebrühte Lügnerin war. Es ging ihr offenbar darum, uns gegenüber ihren Verlobten als völlig ungefährlich darzustellen. Aber an José Sanchez’ Harmlosigkeit konnte ich momentan nicht glauben.
»Eigentlich hat José diesen angeblichen Fotografen nur zur Seite gedrängt«, behauptete die Latina. »So etwas ist in meinen Augen keine Schlägerei. Don Lewis trägt selbst die Schuld an der ganzen Geschichte. Warum spricht er auch wildfremde Frauen auf der Straße an? Ich bin doch keine Hure.«
»Sie bleiben also dabei, dass Ihr Verlobter Sie nur beschützen wollte und keine Bedrohung für Don Lewis darstellte?«
Penelope Garcia nickte eifrig.
»Genau, Agent Cotton. Und Don Lewis hat meinen Freund auch nicht angezeigt. Er wusste nämlich genau, dass er sich die Suppe selbst eingebrockt hat.«
Davon war ich nicht überzeugt. Es wurde dringend Zeit, dass wir uns die beiden Männer vorknöpften, die sich wegen Penelope Garcia miteinander geschlagen hatten.
***
Phil und ich beschlossen, zunächst mit dem angeblichen Fotografen zu sprechen. In dem NYPD-Protokoll hatte auch Don Lewis’ Adresse gestanden.
Der Mann war polizeilich noch niemals in Erscheinung getreten – bis zu dem Vorfall mit José Sanchez, der nun drei Wochen zurücklag. Don Lewis wohnte in der Gay Street, im Künstlerviertel Greenwich Village. Ich parkte einen Steinwurf weit entfernt von dem Gebäude.
»Lewis hat ein richtiges Fotoatelier«, stellte Phil fest. »Zumindest in der Hinsicht hat er also die Wahrheit gesagt.«
Offenbar befand sich das Fotoatelier von Don Lewis im Erdgeschoss des schmalen Hauses, während seine Privaträume im ersten und zweiten Stockwerk gelegen waren. Wir betraten das Studio, eine Türglocke ertönte.
»Einen Moment bitte!«, rief eine affektierte Männerstimme aus dem Hintergrund. Gleich darauf wurde ein Samtvorhang zur Seite geschoben, und ein glatzköpfiger Mann in gestreiften Hosen und ärmellosem T-Shirt kam tänzelnd auf uns zu.
Hinter dem Vorhang befand sich ein mit starken Jupiterleuchten angestrahltes Sofa, auf dem eine junge Latina saß, sie hielt eine Packung Cornflakes in den Händen.
»Was kann ich für Sie tun, Gentlemen?«, fragte der Glatzkopf. Wir stellten uns vor und zeigten unsere
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