Jerry Cotton - Folge 2860 - Cotton, J: Jerry Cotton - Folge 2860
Einauge zu schaffen gehabt? Diese Frage musste ich zurückstellen. Momentan konzentrierte ich mich wieder ganz auf die Ex-Freundin des Opfers.
»Okay, Miss Morley. Die U-Bahn-Überwachungskameras werden beweisen, ob Sie uns die Wahrheit gesagt haben. Falls Sie Ihrem Freund Brownie ein falsches Alibi verschaffen wollen, dann sollten Sie sich das noch einmal gut überlegen. Sie sind mehrfach vorbestraft, und auch eine Falschaussage ist ein schwerwiegendes Delikt. Vor allem in einem Mordfall.«
»Ich sage aber die Wahrheit«, beteuerte Lynn Morley. »Schauen Sie sich doch die Videos an, dann werden Sie schon sehen, dass wir nicht in Queens waren.«
Phil hatte bereits den Verhörraum verlassen, um telefonisch bei der Transit-Authority-Sicherheitszentrale das Material anzufordern. Da die Verdächtige uns die Namen der Bars genannt hatte, wussten wir, welche U-Bahn-Stationen sich in der Nähe befanden. Dadurch wurde die Suche eingegrenzt.
***
Doch bevor wir die Überwachungsbänder sichteten, nahmen wir uns noch Brownie zur Brust. Der Straftäter hieß mit bürgerlichem Namen Arturo Sanchez und war ein Einwanderer aus Costa Rica. Mit dem amerikanischen Gesetz war er bereits wegen Körperverletzung und Beleidigung in Konflikt geraten. Er gehörte offenbar zu den Männern, die ihren Streit am liebsten mit den Fäusten austragen. Außerdem war er offenbar schnell eingeschnappt, das hatte ich ja selbst erlebt. Er hatte sich von mir missachtet gefühlt und war sofort aus der Haut gefahren.
Wir hatten ihn in einem benachbarten Verhörraum schmoren lassen. Er starrte uns finster an, als wir hereinkamen. Brownie ließ außerdem seine mächtigen Muskelpakete spielen, aber das beeindruckte uns überhaupt nicht.
»Dios mio, was soll dieser ganze Aufriss wegen einer lumpigen Geldbörse? Hat die amerikanische Policia Federal nichts Besseres zu tun?«
»Wir tun nur unsere Arbeit«, gab ich ruhig zurück. »Und außerdem ist nicht der Taschendiebstahl der Hauptanklagepunkt, sondern der Mord an Keith Garland alias Einauge.«
Brownie fiel aus allen Wolken. Seinen Spitznamen verdankte er vermutlich seinem sonnengebräunten dunklen Teint. Doch nun wurde er schlagartig so bleich, als ob er kurz vor einem Kreislaufkollaps stehen würde. Eine solche Reaktion kann man nicht oder nur sehr schwer vortäuschen.
»Mord? Was wollt ihr FBI-Bullen mir da anhängen?«
»Das FBI hängt niemandem etwas an«, sagte ich scharf. »Aber Sie sind ein aufbrausender Typ, und Einauge war Ihr Rivale. Wollen Sie das etwa leugnen?«
»Diese halbe Portion? Nee, der war kein Konkurrent für mich. Was glauben Sie, weshalb Lynn mit ihm Schluss gemacht hat? Weil sie endlich einen richtigen Mann kennengelernt hat, nämlich mich.«
An mangelndem Selbstbewusstsein litt Sanchez alias Brownie jedenfalls nicht. Sein Mordmotiv lag für mich klar auf der Hand, und bisher gab ihm nur seine Freundin ein Alibi. Doch wenn die Überwachungsvideos ihre Angaben bestätigten, konnte er den Mord nicht begangen haben. Wir brachen die Befragung einstweilen ab. Zum Zeitpunkt des Geldtransport-Überfalls hatten Lynn Morley und ihr neuer Freund einander angeblich noch nicht gekannt. Ob das stimmte, würden weitere Nachforschungen zeigen müssen.
Während die beiden Verdächtigen auf ihren Haftprüfungstermin warteten, nahmen Phil und ich die inzwischen bereitgestellten Videobänder unter die Lupe. Außerdem half uns eine Gesichtserkennungssoftware, die wir über die Aufnahmen laufen ließen. Das Programm verglich die erkennungsdienstlichen Fotos von Lynn Morley und Brownie mit den Gesichtern der nächtlichen U-Bahn-Passagiere.
»Da sind sie!«, rief Phil nach einer Weile. Auch ich hatte die Ex des Mordopfers und ihren athletischen Lover auf dem Videoband entdeckt. Sie bewegten sich schwankend auf dem Bahnsteig der Station Bedford Avenue und stiegen in einen Zug der Linie L Richtung Canarsie Rockaway Parkway. Brownie hatte eine braune Tüte in der Hand, in der sich vermutlich eine Schnapsflasche befand. Laut Überwachungskamera war es zu diesem Zeitpunkt 0.37 Uhr gewesen.
»Stimmt genau, Phil. Allerdings ist damit die Unschuld unserer beiden Turteltauben noch nicht bewiesen. Das Zeitfenster für den Mord ist noch groß genug. Selbst wenn sie im östlichen Teil von Brooklyn ein weiteres Bier gezischt haben, könnten sie immer noch nach Queens gefahren sein, um dort Einauge zu erschießen.«
»Ja, Jerry. Falls wir sie nicht auf weiteren Videos erkennen, beweist dieses Band
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