Jerry Cotton - Folge 2860 - Cotton, J: Jerry Cotton - Folge 2860
der Entfernung konnte ich erkennen, dass er einen geistesabwesenden Eindruck machte. Ob er Kath gekaut hatte? Darüber konnte ich mir später Gedanken machen. Es war einer dieser Momente, in denen die Zeit mit zermürbender Langsamkeit zu verrinnen scheint. Es war, als würden alle Bewegungen in Zeitlupe ablaufen. Für mich war im Moment nur wichtig, dass Addison seine Revolvermündung nicht mehr auf die Autofahrerin richtete.
Sondern auf mich.
Hinter ihm bremste der sich nähernde Streifenwagen mitten auf der Fahrbahn. Die Cops stießen die Wagentüren auf und verließen das Fahrzeug, die Pistolen in den Händen. Aber davon bemerkte Addison nichts, denn er zielte auf mich.
Er drückte ab. Sein Schuss verfehlte mich. Ich warf mich zur Seite und erwiderte das Feuer. Und die Kugel aus meiner SIG traf Addison dort, wohin ich gezielt hatte: in die linke Wade.
Der Straftäter schrie, wurde durch die Aufprallwucht von den Beinen gerissen. Danach war es ein Leichtes, ihn zu entwaffnen.
***
Bei der Verhaftung von Nick Addison war niemand zu Schaden gekommen, außer dem Verdächtigen selbst. Doch er hatte nur eine leichte Fleischwunde davongetragen, wie mir der Notarzt versicherte. Addison wurde sofort in den Krankentrakt von Rikers geschafft.
Wir bedankten uns bei Sergeant Oaks und seinen Kollegen für die tatkräftige Unterstützung. Addisons Revolver gaben wir ebenso wie sein getuntes Auto sofort an die Scientific Research Division weiter. Außerdem beantragte Phil einen Durchsuchungsbeschluss für Addisons Loft.
Während wir in unserem Office bei Cola und Sandwiches auf den Durchsuchungsbeschluss warteten, klingelte das Telefon. Ein Kollege von der SRD war am Apparat. Ich schaltete den Lautsprecher ein.
»Jerry, wir haben uns die Waffe von diesem Addison sofort vorgenommen. Es handelt sich um einen Taurus Raging Bull, Kaliber.44 Magnum. Und mit genau dieser Waffe wurde auch bei dem Überfall auf den Geldtransporter geschossen. Wie ihr wisst, blieb ein Projektil in der Panzerung des Fahrzeugs stecken. Wir haben eine ballistische Untersuchung durchgeführt. Die Patrone stammt zweifellos aus Addisons Waffe.«
»Somit können wir ihm die Beteiligung an dem Raubüberfall nachweisen. Das ist wirklich eine gute Nachricht.«
Ich beendete das Telefonat.
»Addison muss ganz schön dämlich sein«, meinte Phil. »Wie kann man eine Waffe aufheben, die man bei einem Raubüberfall schon mal benutzt hat? Oder Addison ist zu arm, um sich eine neue Bleispritze zu kaufen. Aber dann hätte er nicht so viel Geld in seine getunte Karre stecken sollen.«
»Einauge ist jedenfalls mit einem Achtunddreißiger ermordet worden, Phil. Aber vielleicht besitzt Addison ja mehrere Schusswaffen. Auf jeden Fall würde mich interessieren, was er zum Tod seines Kumpans zu sagen hat.«
Addison hatte sich wirklich angestrengt, um sich der Verhaftung zu entziehen. Er hatte Kopf und Kragen riskiert und sich auch nicht gescheut, eine Schusswaffe einzusetzen. Diese Tatsachen waren natürlich noch keine Beweise für seine Schuld im Mordfall Einauge. Aber für mich persönlich war Addison zurzeit der Hauptverdächtige.
Wenig später unterschrieb ein Richter den Durchsuchungsbeschluss. Wir gaben ihn an die Spurensicherungsspezialisten weiter und fuhren zur Gefängnisinsel von Rikers.
Addison war bereits behandelt und untersucht worden. Wir sprachen mit dem altgedienten Gefängnisarzt Doc Warren.
»Der Patient ist fit wie ein Turnschuh«, sagte der kahlköpfige Mediziner zu uns. »Die Schusswunde wird wieder vollständig verheilen, es bleibt nur eine kleine Narbe zurück. Aber auf Narben sind unsere Kunden hier ja fast so scharf wie auf Tattoos.«
Ich musste grinsen. Doc Warren war ein Mann, der kein Blatt vor den Mund nahm. Wer als Arzt nicht hartgesotten war, ging in der rauen Welt von Rikers unter. Doc Warren hatte schon so manche Häftlingsrevolte überlebt und im Angesicht von brutalen Insassen kaltes Blut bewahrt.
»Sind Sie schon dazu gekommen, sein Blut zu untersuchen? Konsumiert er Rauschgift, beispielsweise Kath?«
Der Arzt schüttelte den Kopf.
»Drogen ja, aber nicht Kath. Der Patient hat sich ein paar Aufputschpillen einverleibt, die man legal nicht bekommt. Aber Kath? Nein, Fehlanzeige, jedenfalls nicht in den letzten Wochen.«
Der Mediziner gestattete uns, Addison einen kurzen Besuch abzustatten. Dann machte er sich auf zu seinem nächsten Patienten. Doc Warren war ein Mann, der sich über Mangel an Beschäftigung nicht beklagen
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