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Jerusalem

Titel: Jerusalem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Mönchszelle zu verbringen«, antwortete Rasso mit überzeugendem Ernst. »Zum Träumen von der großen Welt werde ich deine Briefe lesen. Und Odo, der dir Pergamente schenkt, liest sie auch.« Er lächelte und blickte zu den Mauern hinter den Gerüsten hinüber. »Vielleicht, wenn ich so jung und stark wäre wie du ...« Er schenkte Rutgar ein ehrliches, zahnloses Lächeln und schloss: »Der Orden des heiligen Benedikt ist groß und wächst mit jedem Jahr. Er ist reich genug und kann auch den alten Rasso kleiden und nähren.«
    »So ist es.« Rutgar sah sich um. Der Wagen war entladen, die Futtersäcke leer. Die schweren Zugpferde hoben die Köpfe. »Danke für den Wein. Abends komm ich zu dir, Rasso.«
    »Ich freu mich immer und hör dich gern reden.«
    Rutgar nickte Rasso lächelnd zu, griff zwischen den Köpfen der Pferde nach den Zügeln und führte das Gespann auf dem lehmigen Weg zu der Stelle, wo die Wagen umkehren und zum Steinbruch zurückfahren konnten, um neue Bausteine für die größte Kirche der Menschheit heranzuschaffen.
 
    Und auch ohne dass Jean-Rutgar die Kunst gut beherrschte, mit wenig Tinte und Schreibtusche viel Gesehenes und Geschehenes zu berichten, erfuhr man zu Cluny von Peter dem Eremiten und der wachsenden Schar derer, die sich ihm anschlossen.
    Von der kolossal hingelagerten, regengetränkten Steinmasse Clunys bewegte sich der Heerwurm Gottes über Brücken und durch Bäche unaufhaltsam nach Norden, zur Grafschaft Berry, durch das Orléonnais und die Champagne nach Lothringen und durch die Städte an der Meuse und über Aachen auf Köln zu. Wo immer Peters Armenschar durchzog, bettelnd und betend, hungernd und in blindem Gottesgehorsam, verließen Kinder, Jungfrauen, Frauen und Männer ihre Wohnstätten und folgten ihm.
 
    Zwei Kerzenflammen genügten, um Madolens rotes Haar in leuchtendes Kupfer zu verwandeln. Dünner Schweiß glänzte auf ihrer Haut, als sie sich tief über Jean-Rutgar beugte. Er streichelte ihre Brüste, die schwer ihren Bewegungen folgten. Madolen hatte die Augen geschlossen und ihn tief in sich aufgenommen. Sie atmete schwer; zwischen ihren leisen Worten entstanden lange Pausen.
    »Du bist das Beste in diesem Winter, Rutgar.« Sie wiegte ihren Körper vorwärts und zurück und stöhnte leise. »Aber im Frühling werd ich wieder allein sein.«
    Er antwortete nicht. Wahrscheinlich war es so, obwohl er es selbst noch nicht wusste. Seine Finger strichen über Madolens weiße Schenkel, gruben sich in die Backen und kletterten den Rücken hinauf. Rutgar griff in ihr Haar, dessen Spitzen seine Schenkel kitzelten, und zog Madolens Kopf in den Nacken. Er richtete sich auf und küsste ihren Hals.
    »Es ist noch lang hin bis zum Frühling«, antwortete er rau und bewegte die Zungenspitze in ihrem Ohr. »Sorge dich nicht.«
    Sie bewegte sich schneller und wand sich stöhnend, bis sie über den Gipfel der Leidenschaft glitt; ein, zwei Atemzüge vor ihm. Schwer sank sie auf seine Brust und begrub ihn unter der Flut ihres gekräuselten Haares. Langsam trocknete der Schweiß auf ihren Körpern, und Rutgar zog die Decke über sie beide.
    Madolen war älter als er, Wäscherin im Dorf und Besitzerin eines gemauerten Hauses. Ihr reifer Körper hatte ferne Erinnerung an Ragenarda erweckt, aber sie war nicht wie seine erste Liebe. Sie begehrte ihn und war seine Winterliebe.
    Es war stets warm in ihrem schmalen Häuschen, das Dach blieb dicht, und im Keller standen immer Kübel und Holzzuber voll warmem Wasser. Sie klammerte sich an seine Jugend, und er betrog sie nicht mit anderen Frauen.
    Jetzt lag er im überhitzten Zimmer. Zu wenig frische Luft kam durchs Fensterloch. Nachdem Jean-Rutgar seine Tiere ausgespannt und unter dem Dach des Stalls trocken gerieben und versorgt hatte, hatte er sich flüchtig gewaschen und eine Fackel ausgesucht, die noch einige Zeit lang brennen würde. Er hatte sie an einem Feuer entzündet und war zwischen Zäunen, unter tropfenden Baumkronen und entlang nasser Mauern zum Dorf gegangen. Der Winter, die Fackel, die Unruhe seines Herzens - Stunden und Tage krochen dahin, und er sehnte sich nach Sonne, Wärme und einer Arbeit, die ihn weder langweilte noch in üble Schinderei ausartete. Während des Winters harrte er hier aus, denn es gab gutes Geld, er wurde gebraucht, und Madolen wollte ihn nicht gehen lassen und umhüllte ihn mit Wärme, Wein und Begehren. Wenn er sie verließ, würde er traurig sein und sie vermissen; Madolen würde um ihn weinen und

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