Jerusalem
handgroßes Stück Salzfisch und eine Zwiebel heraus. Während er zum Bach stolperte und Ausschau danach hielt, von welchem Karren Wein ausgeschenkt wurde, begann er, häufig kleine Gräten spuckend, den Fisch weich zu kauen.
Kapitel V
A.D. 1096, 3. T AG IM H EUMOND (J ULI ), S ONNENAUFGANG
B EI N ISCH IN U NGARN
»Und ich sah, und siehe, ein fahles Pferd. Und der darauf saß, des Name hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach.«
(Offb 6,8)
Am nächsten Morgen, auf dem noch ungesattelten Esel, ritt Peter der Eremit in weiten Schlangenlinien von einem Ende des Tals zum anderen. Rutgar folgte ihm schweigend zu Fuß, den zerbeulten Helm unter der Achsel und den Daumen nahe dem Dolchgriff im Waffengurt eingehakt. Das Schwertgehänge und das rostige Kettenhemd hatte er in schmutzige Tücher gewickelt und in den Mantelsack gesteckt, der über dem Hals des Pferdes hing. Viele aus Peters Gefolge schliefen noch; meist die Alten, die Kranken, jene mit schwärenden Füßen und die Kinder. Es roch stechend nach dem fahlen Rauch erkaltender Feuer, stank nach Schweiß, Eiter und Kot. Das erbeutete Vieh weidete auf kurzgefressenem Gras zwischen Karren, Hütten, Schlafenden, Gerät und Essensresten und tappte mitten durch Unordnung und Verwüstung. Es war, als ob eine Sintflut über das Tal hinweggegangen wäre und alles, was sie mit sich führte, ausgespien hätte; das satte Grün des letzten Tages war tiefen Furchen aus Sand und Erdreich gewichen.
»Wir sind im Land des Kaisers Alexios! Wir müssen uns benehmen wie gute Gäste! Denkt an das Wort des Herrn!«, grunzte Peter und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Bald pilgern wir wieder auf einer guten Straße, ich weiß es. Wir haben dem König unser Versprechen gegeben.«
Über die gesamte Fläche verteilt zäumten und sattelten die Knechte der Ritter und die Bewaffneten ihre Pferde. Es gab mehr als zwölfhundert Pferde in dieser Menschenmasse. Noch besaß Rutgar keinen Sattel und kein Zaumzeug. Er hatte zwar Geld genug, die Dinge zu kaufen, wollte es aber nicht ausgeben; noch brauchte er keinen Sattel. Also ritt er, wenn sein Pferd ihn duldete, kurze Strecken ohne Sattel auf einer Decke.
Nachts, zwischen den Gebeten, hatte Peter lange im Selbstgespräch überlegt, einen Tag länger rasten zu lassen. Schweigend hatte Rutgar ihm zugehört. Aber die Nähe der Stadt Nisch war wie eine Verheißung für jedermann; Peter blickte in hoffnungsfrohe, schmutzige Gesichter.
»Führst du uns an, lieber Peter?«, baten die Pilger.
»Ich reite an der Spitze«, antwortete er und deutete zum südlichen Ausgang des Tals. »Wie immer. Die Ritter werden den Zug begleiten. Lasst keine Nachzügler zurück!«
Schier unendlich langsam kam Bewegung in die Menschenmasse. Über einigen Feuern hingen noch Kessel, in denen Wasser für Pflanzensud und zur Pflege der Wunden erhitzt wurde. An Uferstellen, die nicht verschmutzt waren, füllten Pilger ihre Trinkschläuche, wuchteten Fässer auf die Karren und schleppten große Krüge. Peter von Amiens hatte die Stelle gefunden, an der sich ein breiter Pfad fortsetzte. Es schien undenkbar, dass dieser Weg nicht nach Nisch führte. Peter stieß ein Dankgebet aus und trieb den Esel zurück zu seinem Nachtlager.
Als die begeisterten Pilger seinen Esel gesattelt und Peters wenige Habe auf dem Rücken des Grautiers festgebunden hatten, sprach er, das Kreuz hoch erhoben, seinen Segen und ritt langsam, nach allen Seiten winkend, zum Pfad nach Nisch. Schräg hinter ihm ritt Rutgar und lenkte den Rappen mit Griffen in die Mähne und Schenkeldruck. Einen Steinwurf weit hinter Peter und seinem stummen Wächter trabten Gottfried Burel und Walter von Breteuil. Jedem Grafen folgten ein Dutzend berittene Bewaffnete, junge Männer, denen sich einige Gespanne angeschlossen hatten.
Dann kam, wie an jedem Morgen, das große, graue und buntgescheckte Heer der Pilger, dessen Spitze längst im Wald verschwunden war. Nicht wirklich bunt, sondern ein breiiges Gemenge fahler Farben. Schmutziges Braun, dumpfes Grün und dazwischen abertausend Flicken aus anderen Stoffen. Tausende Gesichter, Tausende ärmliche Gestalten, eine riesige Herde ameisenhafter, apokalyptischer Gestalten, die weder Jean-Rutgar noch Peter unterscheiden konnten, trotz der langen Tage, in denen sie miteinander gewandert waren, gesungen und gebetet hatten. Einige wenige Namen hatte sich Rutgar gemerkt; jeder Name war mit einem Zwischenfall verbunden, mit Aufregung, Kampf, Verwundung, Tod oder
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