Jessica
im Wohnzimmer und kämpfte gegen ein plötzliches Gefühl der Verlassenheit an, und so dauerte es eine Weile, bis sie das rhythmische Klopfen hinter dem Haus wah rn ahm.
Langsam trat sie ans Fenster und sah draußen Gage Cal l oway, der ohne Mantel im dichter werdenden Schneetreiben stand und - die Ärmel über den muskulösen Armen hochgerollt - mit kräftigen Axthieben Holz hackte.
Als ob er gespürt hätte, dass sie ihn beobachtete, sah er auf, und ihre Blicke trafen sich. Gage grinste und hielt inne, um ihr kurz zuzuwinken. Jessica wurde schwindelig dabei, aber sie führte das Gefühl auf ihre Erschöpfung zurück.
Mit einiger Mühe gelang es ihr, das Fenster zu öffnen, und sie lehnte sich hinaus. Die Kälte biss sofort in ihre Haut wie feine Nadeln. »Was machen Sie da?«, wollte sie wissen. Sie war immer noch voreingenommen, denn trotz allem, was der Mann schon Für sie getan hatte, konnte sie nicht vergessen, dass er der Feind ihres Bruders gewesen war. Jede Art von Beziehung zu ihm wäre Verrat.
»Wonach sieht es denn aus?«, gab Gage zurück, aber ohne Aggression. Sein Atem dampfte wie eine weiße Wolke um seinen Kopf; und mit seinen breiten Schultern, den schmalen Hüften und den langen, muskulösen Beinen sah er aus, als sei er geradewegs vom Olymp herabgestiegen, wenn er nicht zeitgemä ße Kleidung getragen hätte.
Jessica war erschöpft, nicht nur seinetwegen, sondern wegen der ganzen Situation. Ungeduldig seufzte sie auf. »Wenn Sie mich zu Dankbarkeit verpflichten wollen, um mich überreden zu können, Innen die Gazette zu verkaufen, verschwenden Sie Ihre Zeit!«, rief sie.
Sein Lächeln schwand, und er schüttelte den Kopf. »Was sind Sie nur für eine Kratzbürste!«, antwortete er. »Sie zu Dankbarkeit verpflichten? Also wirklich, lieber würde ich mich da auf ein Stachelschwein setzen.«
»Warum tun Sie es dann nicht?«, gab Jessica zurück. Es war viel leichter und sicherer, wenn sie ihn nicht mochte.
Gage seufzte. »Ich versuche gar nichts, außer sicherzustellen, dass Sie genug Feuerholz haben, um zu heizen. In Springwater nennen wir so etwas Nachbarschaftshilfe.«
Jessica war um eine Antwort verlegen, zog sich ins Zimmer zurück und schloss das Fenster so heftig, dass die Scheiben Wirrten. Draußen fuhr Mr. Callo way fort, das Holz zu hacken, und Jessica kam es so vor, als führe er die Axt weitaus heftiger als vorher.
Am nächsten Morgen klopfte schon früh Toby McCaffrey an die Tür und trug mit breitem Grinsen einen Eimer voller Milch herein. Die Milch war bereits vorbereitet, sodass die Babys sofort gefüttert werden konnten. »Miss Junebug sagt, Sie sollen Sie bei der nächsten Gelegenheit in der Station besuchen«, verkündete er fröhlich. Seine Nase und Ohren waren vor Kälte gerötet, und seine blauen Augen sprühten vor jugendlichem Übermut. »Sie sollen die beiden Babys auch mitbringen.«
Jessica nahm die Milch dankbar entgegen und versprach, Mrs. McCaffrey noch in dieser Woche zu besuchen, und dann sah sie Toby nach, wie er die Treppe hinuntersprang und dabei immer zwei Stufen auf einmal nahm. Während sie die Tür schloss, kam Alma aus ihrem Zimmer. In der Wohnung war es herrlich warm, weil sie jetzt genug Feuerholz hatten, und die Babys schliefen immer noch friedlich in der großen Wiege am Fußende des Bettes. Es war genug Zeit, um die Milch warm zu machen, und der frische Schnee vor dem Fenster verlieh den Räumen eine Art festliche Gemütlichkeit.
Alma trat an den Kamin, um sich aufzuwärmen, denn sie trug nur Morgenrock und Slipper. »Mein Pete wird bald hier sein, um mich abzuholen. Er hat bestimmt schon gehört, dass du angekommen bist.«
Jessica nickte nur. Sie freute sich nicht darauf, ganz alleine für die Babys sorgen zu müssen, aber sie würde es schon irgendwie schaffen. Sie war klug und kräftig und würde dazule rn en.
»Du scheinst dich mit Gage Calloway nicht allzu gut zu verstehen«, bemerkte Alma. »Er ist ein netter Mann, musst du wissen.«
Jessica versteifte sich unmerklich. Alma wusste zweifellos wie auch der Rest der Stadt, dass Michael und Mr. Calloway sich nicht verstanden hatten. Es machte keinen Sinn, das Offensichtliche auszusprechen. »Er muss einen grundlegenden Makel haben«, sagte sie schließlich.
Die andere Frau sah sie offen und voller E rn st an. »Das hat er nicht«, stellte sie entschieden fest. »Er stammt aus einer vornehmen und äußerst wohlhabenden Familie in San Francisco und hat eine gute Erziehung genossen. Ihm
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