Jessica
Klienten für heute, das Ehepaar Parrish. Nachdem er mit ihnen über die Babys gesprochen hätte, würde er hinübergehen und ein paar von den Holzstücken zerhacken, die sich hinter dem Haus stapelten. Er tat das nicht, um Miss Barnes wiederzusehen, sagte er sich, auch wenn ein Blick in ihr Gesicht genügte, um ihm das Gefühl zu geben, dass er ein paar hundert Meter über einem Abgrund auf einem dünnen Seil balancierte. Nein, es war einfach nur Höflichkeit, die ihn dazu trieb, das Holz zu spalten - mehr nicht.
Gage goss sich aus der Emaillekanne auf dem Ofen einen Becher Kaffee ein und nahm gedankenverloren einen Schluck, wobei er entschied, C. W.s Bemerkung unkommentiert zu lassen. »Auch reiche Leute halten sich Kühe«, gab er dann doch ein wenig scharf zurück, ehe er in sein Büro stürmte und die Tür geräuschvoll hinter sich schloss. Die Wahrheit war, das er diese nicht besonders hoch angesehene Arbeit erst gelernt hatte, als er nach Sprihgwater gekommen war. Während sein Haus gebaut wurde - das Haus, in dem er sich nie aufhielt, weil er es für eine Frau gebaut hatte, die sich dann dafür entschieden hatte, nie darin zu wohnen -, hatte er in der Postkutschenstation ein Zimmer gehabt, und dort hatte er Jacob und Toby bei ihren täglichen Pflichten geholfen ... Damals hatte er eine Vorliebe für Junebugs Küche und auch für sie selber entwickelt.
Savannah war pünktlich, auch wenn sie ohne ihren Mann kam, der wahrscheinlich irgendeinen Cowboy nach einer Prügelei zusammenflicken musste oder auf einer Ranch war, wo er gebraucht wurde. Prescott Parrish war ein Mann, vor dem alle Respekt hatten. Er hatte sich nach und nach die Anerkennung der Stadt verdienen müssen, was ihm zuletzt dadurch gelungen war, dass er Christabel Johnsons verdrehten Fuß operiert hatte. Er hatte ihn gerade gerichtet, so-dass sie jetzt wieder so gehen konnte wie jedermann sonst, und das war sein Verdienst. Danach, war sie zu einer reizenden, wenn auch etwas schüchternen jungen Dame erblüht, die vorhatte, eines Tages an der Springwater-Schule zu unterrichten, nachdem sie selber die Schule in Pennsylvania abgeschlossen hatte.
»Es tut mir leid«, sagte Gage zu Savannah, nachdem er ihr erklärt hatte, dass Jessica Barnes ihre Nichten gerne selber großziehen wollte, trotz aller Nachteile, die ihr daraus erwuchsen. Schließlich war sie unverheiratet. Gage hoffte, dass sie ein bisschen eigenes Geld hatte, denn Michael hatte ihr bestimmt nichts hinterlassen.
Savannah trug die Nachricht mit Fassung, auch wenn ihre Augen traurig blickten. Sie und der Arzt waren zu Reichtum gekommen, weil sie schon früh Anteile an Trey Hargreaves Silbermine erworben hatten, die ein Ausgleich f ür Savannahs Anteil am Brim stone-Saloon gewesen waren. Ihr Haus stand dem von Gage gegenüber, und sie hatten ein eigenes Kind, aber sie wünschten sich eine große Familie, was aber anscheinend nicht klappte.
Es war schon eine Ironie des Schicksals: Pres hatte schon so vielen Menschen geholfen, seit er nach Springwater gekommen war, aber hier war anscheinend selbst er machtlos. Sie hatten sich ihr großes weißes Haus vor Jahren gebaut, weil sie damit rechneten, viel Platz zu brauchen, aber jetzt wohnten nur sie drei darin und fühlten sich so verloren wie drei Erbsen in einem Fas s. Manchmal war das Mädchen der Johnsons bei ihnen, um bei der Betreuung der Kleinen, beim Waschen und beim Kochen zu helfen, aber das war natürlich nicht dasselbe wie selber ein Haus voller Kinder zu haben.
»Ich bin nicht überrascht«, sagte Savannah, nachdem sie eine Weile nachgedacht hatte. »An Jessicas Stelle hätte ich dasselbe getan. Ich habe wohl ge hofft , dass sie eine a ndere A r t von Frau ist — selbstsüchtiger.«
Gage lehnte sich in seinem wackeligen Stuhl zurück und verschränkte die Finger unter dem Kinn. »So?«, sagte er nur und hoffte auf mehr.
Savannah lächelte zittrig. »Victoria hat mir erzählt dass sie eine alte Jungfer sei, eine Gesellschafterin oder Gouvernante oder so, und dass sie viel gereist sei. Sie sagte, sie sei an ein Leben in der Stadt und in großartigen Häusern gewohnt, ob es nun ihre eigenen waren oder nicht. Das klang nicht so, als ob sie die Art Frau wäre, die verwaiste Babys aufnimmt - nicht einmal die ihres Bruders.«
In diesem Moment sah Savannah so traurig aus, dass Gage sich am liebsten vorgebeugt und tröstend ihre Hand ergriffen hätte. Aber er hielt sich zurück, denn er wusste, dass sie sehr gefühlsbetont war und im
Weitere Kostenlose Bücher