Jesus liebt mich
wurscht!», raunzte ich ihn an. «Beantworte mir die verdammte Frage!»
«Ich kann alle Sprachen der Menschheit sprechen.»
War ja klar, dass er keine Frage beantworten konnte, ohne noch verrückter zu wirken.
«Beweis es», rutschte es mir heraus.
«Wenn du es wünschst», lächelte er und begann eine kleine Ansprache, die mit «Habe Vertrauen in Gott» begann und dann in verschiedenen Sprachen weitergeführt wurde. Einige waren mir unbekannt, andere klangen wie Englisch, Spanisch oder wie das, was die libanesischen Kellner in der italienischen Pizzeria um die Ecke brabbelten. Andere Sprachen wiederum waren wie ein Singsang, und eine Sprache klang so, als ob jemand Kehlkopfprobleme hätte, vermutlich war es Holländisch.
Ich kam mir vor wie bei einem Zusammenschnitt aus der «Sendung mit der Maus», nur das niemand sagte: «Das war Türkisch», «Das war Schwyzerdütsch» oder «Das war Suaheli».
Wenn das ein Trick war, dann war er außerordentlich gut und von extrem langer Hand vorbereitet. Nach diesem kurzen Vortrag traute ich mich jedenfalls nicht mehr, Joshua nach der Wunderheilung zu fragen. Meine Angst vor der Antwort war noch größer geworden.
«Möchtest du jetzt mit mir gemeinsam arbeiten?», bot er an – er wollte wirklich gerne den Tag mit mir hobelnd auf dem Dachboden verbringen.
«Ich … ich bin keine große Hilfe», wimmelte ich ab und ließ ihn stehen. Das Ganze war mir viel zu unheimlich.
Etwas später stürmte ich ins Pfarrhaus, ich wollte von Gabriel endlich Erklärungen und kein kryptisches Gequatsche, das mich nur in weitere peinliche «Ups, ich hab dich für einen Homo gehalten»-Situationen brachte.
Aber Gabriel war nicht da. Ich stürmte aus dem Pfarrhaus hinaus und in die leere Kirche hinein. Dort genoss ich erst einmal für einen Moment die angenehme Kühle. Draußen war es mittlerweile nämlich spätsommerlich schwül geworden. Ich sah wieder Jesus am Kreuz und dachte mir: Wenn Joshua das wirklich alles durchgemacht hatte, dann hatte er noch ein überraschend menschenfreundliches Gemüt …
Ich hielt inne: Meine Güte, ich fing schon an, den ganzen Heiland-Kram zu glauben!
Da hörte ich plötzlich Gabriels Stimme aus der Krypta. Zuerst verstand ich nicht, was er sagte, näherte mich dem Eingang zur Krypta und hörte nun: «Du bist wunderbar …»
O nein, er machte es doch nicht etwa mit meiner Mutter in der Krypta?
«… Herr, der du bist im Himmel …»
Uff, es war ein Gebet.
Ich nahm meinen Mut zusammen, ging die Treppe hinunter in die muffig riechende, niedrige Höhle, in der Basketballspieler nicht aufrecht stehen konnten, und sah, wie Gabriel niederkniete und betete. Er bemerkte mich, machte aber weiter mit seinem Gebet. Erwartete er, dass ich mich zu ihm kniete? Aber was dann? Ich konnte kein einziges der offiziellen Kirchengebete aufsagen, nur meine eigenen improvisierten «Bitte, lieber Gott, mach, dass ich …»-Versionen.
Ich entschied mich zu schweigen, bis Gabriel fertig war.Diese Geste des Niederkniens beim Beten fand ich schon immer etwas merkwürdig. Warum verlangte Gott, dass man das tut? Warum sollte man so vor ihm knien? Warum musste man sich ihm so unterwerfen? Brauchte der Allmächtige das für sein Selbstbewusstsein?
Na, das gäbe mal ein interessantes Therapeutengespräch: «Lieber Gott, leg dich mal auf die Couch … und nun erzähl mal, warum willst du, dass alle vor dir niederknien?»
Während ich mir noch ausmalte, wie der Therapeut versuchte, Gott nach seiner Kindheit zu befragen (es war ja eine interessante Frage: Wer hatte Gott geschaffen? Er sich selber? Wie ging das?), blickte Gabriel auf und wollte von mir wissen: «Warum hast du dich nicht zu mir gekniet?»
Ich erklärte ihm, dass ich, wenn es um Gebete ging, leichte Textunsicherheiten hatte.
«Jeder kann zu Gott sprechen, wie er will», erwiderte Gabriel.
Ich erklärte ihm auch meine Bedenken in puncto Niederknien.
«Gott sind andere Dinge wichtiger als die Frage, wie man ihm huldigt, oder gar, ob man es überhaupt tut.»
«Und welche Dinge sind das?», fragte ich nicht ohne Neugier.
«Vielleicht wirst du das ja mal herausfinden», antwortete Gabriel, aber an seinem Tonfall merkte man, dass er dies für wenig wahrscheinlich hielt. Ich beendete daher lieber das Thema und erzählte ihm aufgeregt von Joshua, von dessen Sprachkenntnissen und von der Wunderheilung.
«Was war da los?», verlangte ich eine Erklärung.
Gabriel schwieg eine Weile, dann stellte
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