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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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Testament: »Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tod.« (1 Joh 3, 14)
    War es also Jesus’ Liebe, die Lazarus gerettet hat? Jedenfalls war es sozusagen ein geistiges Erdbeben, das Lazarus in seiner ganzen Existenz getroffen und erschüttert hat. Der Evangelist Johannes stand nun vor der Schwierigkeit, dieses Erlebnis irgendwie in Bildern auszudrücken und verständlich zu machen. Es erging ihmdabei wie einem Dichter, der unsichtbare Gefühle und innere Erlebnisse sichtbar und erzählbar machen muss. Fantasie wird dabei zur Kunst, die richtigen Bilder zu finden. Die Evangelisten waren Kinder ihrer Zeit. Sie waren an das Weltbild gebunden, wie es vor zweitausend Jahren bestand. Dieses Weltbild hat sich seitdem gewaltig verändert. Und wir müssen heute zu anderen Bildern und Geschichten greifen, um zu verstehen, was die Bibel uns sagen will.
    Beim Festessen in Betanien geht es wohl recht locker und entspannt zu. In Jesus’ Nähe scheint es Menschen leichtgefallen zu sein, Rollenbilder abzulegen und Konventionen fallen zu lassen. Äußerst ungewöhnlich ist auch, wie sich Maria, eine der beiden Schwestern des Lazarus, benimmt. (Lk 10, 38-42) Während ihre Schwester Marta voll und ganz damit beschäftigt ist, die Gäste und vor allem Jesus zu versorgen, setzt sich Maria einfach zu ihm und hört ihm zu. Das ist ein Verhalten, wie es sich für eine jüdische Frau nicht gehörte. 86 Und verständlicherweise ist Marta sauer, dass sie die ganze Arbeit alleine machen soll. Sie wendet sich an Jesus und fordert ihn auf, Maria zu sagen, dass sie ihr helfen solle. Wider Erwarten nimmt Jesus jedoch Maria in Schutz und kritisiert Marta. »Marta, Marta«, sagt er – und man darf hier einen liebevoll tadelnden und neckischen Ton hinzudenken –, »du machst dir viele Sorgen und Mühen.«
    Marta hätte sich eigentlich denken können, dass Jesusso reagiert. Auch in anderen Situationen hat er deutlich gemacht, dass es ihm wichtiger ist, wenn Leute mit ihm zusammen sein wollen, statt dass sie irgendwelche Pflichten als Gastgeber erfüllen. Denn es ist doch ein freudiges Ereignis, dass Jesus da ist, und Marta will doch eigentlich seine Gegenwart auskosten und nicht einen anstrengenden Abend verbringen. Aber was macht sie? Sie werkelt in der Küche herum, macht Feuer, holt Wasser, bereitet das Essen, stellt Geschirr bereit. 87 Offenbar will sie als tüchtige Hausfrau bewundert werden. Jesus aber wäre es lieber, wenn Marta ihren ganzen Aufwand sein lässt und sich, wie Maria, auch zu ihm setzt.
    Im Johannesevangelium wird von einem zweiten Zwischenfall an diesem Abend in Betanien erzählt, bei dem wieder Maria im Mittelpunkt steht. Sie ist es, die Jesus mit einer äußerst kostbaren und wohlriechenden Nardensalbe einreibt. Nun ist es nicht Marta, die sich darüber aufregt. Es ist einer der Jünger namens Judas Ischarioth, der das für eine unverzeihliche Verschwendung hält. Er hätte es für richtiger gefunden, wenn man die Salbe verkauft hätte, um das Geld den Armen zu geben.
    Auch dieses Mal ist Jesus anderer Meinung und ergreift wieder Partei für Maria. Er will, dass man sie in Ruhe lässt und dass sie mit ihrer »schönen Tat« weitermacht. Und das Argument mit den Armen lässt er nicht gelten. »Denn die Armen habt ihr allezeit bei euch«, meint er, »mich aber habt ihr nicht allezeit.«
    Mancher wird verblüfft gewesen sein über diese Worte. Denn sie passen so gar nicht zu dem Bild von Jesus, der Entbehrung und Armut predigt, der seine Jünger aussandte und ihnen verbot, mehr mitzunehmen als einen Rock, einen Stab und Sandalen. (Mk 6, 8-9) Im Hause des Simon begegnet man einem Jesus, der den Augenblick genießt, der ganz präsent ist, der den Luxus, die »schöne Tat« und das Überflüssige verteidigt und nicht gleich danach fragt, ob damit die Not der Welt beseitigt wird. Jenseits der Frage, ob eine Tat sinnvoll und nützlich ist, öffnet Jesus den Blick für das Zwecklose, für das, was der Dichter Gottfried Keller den »goldenen Überfluss der Welt« 88 genannt hat.
    In diesem Überfluss spiegelt sich für Jesus auch die Güte Gottes, die sich verströmt wie das Licht der Sonne, die aufgeht über Gut und Böse, die niemand sich verdienen und niemand

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