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Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret

Titel: Jesus von Nazaret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alois Prinz
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uns zuwinkt: ›Probier es einmal, diesen Spruch buchstäblich zu erfüllen, du wirst dich wundern, wie wohl das dir tun wird.‹« Der Kurgast probiert es also. Das ist eine harte Arbeit und dauert die ganze Nacht.
    Zunächst führt er sich den Holländer genau vor Augen, in allen Einzelheiten, mit allen körperlichen Eigenarten und Mängeln. Dann stellt er sich vor, wie der Holländer als Kind und Jugendlicher war, wie er schon früh an Asthma litt und den Eltern Sorgen machte. Wieer heiratete, Kinder hatte, wie er langsam älter wurde und unter den ersten ernsthaften gesundheitlichen Problemen litt. So begleitet der Kurgast seinen Zimmernachbarn durch dessen Leben. Allmählich schmelzen die früheren Widerstände und er empfindet Mitleid, ja Sympathie mit diesem Mann. Und nach einer langen, anstrengenden Nacht, in den frühen Morgenstunden hat er es geschafft:
    Aus dem Feind ist ein Bruder geworden.

9
D ER GOLDENE Ü BERFLUSS
    Jesus' Worte scheinen nicht allzu oft auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Enttäuscht und verärgert war er darüber, dass er auch in der Gegend um Kafarnaum, die eigentlich seine neue Heimat war, nicht den ersehnten Erfolg hatte. Bei den Bewohnern der Nachbarorte Chorazin und Betsaida war er auf taube Ohren gestoßen, obwohl er dort viele Wunder vollbracht hatte. Und auch Kafarnaum selbst nahm er nicht von seiner Schelte aus: Die Leute dort sollten sich nicht einbilden, besser zu sein als ihre Nachbarn, meinte er sinngemäß. (Mt 11, 20-24) Offenbar hörten ihm die Menschen dort fasziniert, betroffen und manchmal schockiert zu, sie waren dankbar, wenn sie von ihren Leiden befreit wurden, aber auf die innere Umkehr, die er sich bei ihnen erhoffte, wartete er oft vergebens.
    Jesus erging es wie dem Mann in einem seiner Gleichnisse, der ein großes Festmahl veranstaltet. (Lk 14, 15-24) Jeder der geladenen Gäste hat eine andere Ausrede,um nicht zu kommen. Der eine hat gerade einen Acker gekauft, den er besichtigen muss. Der andere hat vor Kurzem geheiratet und darum keine Zeit. Der Gastgeber ist über die undankbaren Gäste so wütend, dass er seine Diener auf die Straße schickt, um Arme, Krüppel, Blinde und Lahme in sein Haus zu bitten. Die Kranken und Ausgestoßenen vom Rand der Gesellschaft sind nun die Festgäste, von den ursprünglich Eingeladenen will der Hausherr nichts mehr wissen.
    War es die Enttäuschung über die Misserfolge in seinem Heimatland Galiläa, die Jesus dazu bewegte, wieder nach Jerusalem zu gehen? Oder wurde der Boden in der Gegend um den See Gennesaret zu heiß? War es eine Frage der Zeit, bis Herodes Antipas ihn festnehmen ließ und ihm dasselbe Schicksal drohte wie Johannes dem Täufer? Oder wollte Jesus nur wie jedes Jahr am Passahfest im Tempel teilnehmen? Jedenfalls wusste er, dass er sich in große Gefahr begab, wenn er in Judäa auftauchte. Die religiösen Führer der Juden hatten längst beschlossen, ihn zu beseitigen. Und dass die Römer kurzen Prozess machten mit jedem, der auch nur im Verdacht stand, die öffentliche Ordnung zu stören, dafür gab es genügend Beispiele.
    Seinen Jüngern gegenüber hat Jesus öfter davon gesprochen, dass er leiden müsse und ihm ein schreckliches Ende bevorstehe. Simon Petrus, der unter den Jüngern als Sprecher auftrat, hat das nicht wahrhaben und seinenHerrn davor bewahren wollen. Er war deshalb von Jesus scharf zurückgewiesen worden. Ihm stand klar vor Augen, was ihm drohte. Aber er wollte dieser Gefahr nicht ausweichen. Das heißt nicht, dass Jesus einem göttlichen Plan folgte. Er suchte auch nicht das Leid und schon gar nicht war er todessüchtig. Im Gegenteil. Er wollte an seiner lebensbejahenden und befreienden Botschaft festhalten und sein Verhalten nicht ändern. Aber wenn er das tat, brachte es ihn in tödliche Feindschaft zu seinen Gegnern. Das war ein Konflikt, der unvermeidbar und vorhersehbar war. Früher oder später musste dieser Konflikt ausgetragen werden. Und dass es für ihn kein gutes Ende geben würde, das stand für Jesus fest. Wollte er eine Entscheidung herbeiführen, indem er in die Höhle des Löwen, nach Jerusalem ging?
    Im Frühjahr des Jahres 30 wanderten Jesus und seine Begleiter durch den Jordangraben. Am Ende des dritten Tages kamen sie nach Jericho, jene uralte Oasenstadt, die Herodes der Große zu einem luxuriösen Badeort mit

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