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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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richtig, wie ich mit dem neuen Jesus umgehen soll. Es ist, als ob er zuviel ferngesehen hat und jetzt glaubt, daß alles möglich ist. Als ob die ganze Welt plötzlich in Kalifornien liegt.
    »Lori, ich muß ihn finden. Hältst du mir den Rücken frei?«
    »Was soll ich denn Nuckles sagen?«
    »Sag ihm, ich bin hingefallen oder irgendwas - sag ihm, ich bin zu Mathe wieder da.«
    Sie nimmt eine meiner Fingerspitzen und knetet sie. »Vern, sag Jesus, daß alles anders werden kann, wenn wir zusammenhalten - sag ihm ...« Sie beginnt zu weinen.
    »Ich muß los«, sage ich. Dann lösen sich meine New Jacks vom Boden, und ich mache einen sauberen Satz über die Schule hinweg, zumindest auf meinem inneren Bildschirm. Ich bin vielleicht fünfzig Meter von Lori entfernt, als mir auffällt, daß ich die Kerze und Nuckles' Notizen noch in der Hand halte, aber ich will meinen Batman-Abgang nicht ruinieren, deshalb schiebe ich mir beides in die Hintertasche und renne weiter.
    Schwitzende Hunde und geschmolzener Teer wehen an meiner Nase vorbei, als ich auf meinem Rad zu Keeter's fliege. Außerdem liegt ein Hauch von hochsommerlicher Mädchen-Unterwäsche in der Luft - locker anliegende Baumwollhöschen, weiß und mit winzig kleinen Löchern für die Luftzirkulation. Nicht, daß ich eine echte Brise von ihnen abkriege, versteht mich nicht falsch. Was ich meine, ist, daß dieser siedende Vormittag sie heraufbeschwört. Die Unterwäsche wird evoziert, wie Nuckles sagen würde. Auf den Wellen der Dünste surfe ich raus zu Keeter's und weiche den vertrauten Sträuchern entlang der alten Route aus. Ein Blech knackt in einer Windböe wie ein ahnungsvolles Zeichen; heute ist ein wichtiger Tag, raunt es, ein Wendepunkt. Doch meine Aufregung ist mir peinlich, weil sie mich in einen Topf mit diesen Wichsern in der Schule wirft, die an einem fremden Drama saugen wie an einem Joint. Die Tragödie von nebenan ist heutzutage ein großes Geschäft, wahrscheinlich deshalb, weil man sie für kein Geld der Welt kaufen kann.
    Ich entdecke frische Spuren im Dreck, Jesus ist also tatsächlich zur Bude gefahren. Raschelnd quetsche ich mich durch die letzten Büsche auf unsere Lichtung. Doch er ist nicht hier, und das ist eigenartig. Normalerweise ist es eher seine Art, eine Weile vor sich hin zu schmollen, mit einer der Knarren ein paar Büchsen abzuknallen und so. Ich schmeiß das Rad hin und klettere zur Luke runter - das Schloß ist zu. Mein Schlüssel ist zu Hause, im Schuhkarton hinten im Kleiderschrank, doch ich schaff's irgendwie, das Blech an einer Ecke so weit zurückzubiegen, daß ich einen Blick in den Schacht werfen kann. Das Gewehr meines Vaters ist noch da. Das von Jesus nicht. Ich folge seinen Spuren am Bunker entlang und zur Böschung hoch und suche mit den Augen den Horizont ab. Dann stockt mir der Atem: Dort hinten ist Jesus, ein entfernter Tupfer, der auf seinem Rad auf und ab wippt und mit seinem Turnbeutel zurück zur Schule fliegt. Ich schreie, und dann merke ich, daß ich ihm nachrenne wie der Junge in diesem alten Film - »Shane! Komm wieder!« Doch er ist weg.
    Als meine Blutzirkulation wieder einsetzt, halten meine Gedärme ihre Zeit für gekommen - besten Dank auch. Mein Gehirn zieht die Zugbrücke hoch; dahinter ballern die Gedanken kreuz und quer, doch es gibt nichts, was ich tun kann. Glaubt mir. Ich ziehe Nuckles' handgeschriebene Physiknotizen aus meiner Tasche - das einzige Klopapier, was ich dabei hab. Ich entscheide mich, sie zu benutzen und danach in die Bude zu schmeißen. Mich beschleicht so eine Ahnung, daß es Wichtigeres geben wird, wenn ich wieder in der Schule bin.
    Auf dem Rückweg verfolgt und überholt mich eine Front Zeitrafferwolken. Sie sind schmutzig und reif wie unmittelbar bevorstehender Ärger, das merkt man daran, wie einem der Wind im Gesicht zwiebelt und die Nebenhöhlen mit feuchten Wischlappen ausstopft, um im richtigen Moment daran zu ziehen. Ärger kommt mit seinem eigenen Hormon im Gepäck. Ich schaue über meine Schultern und sehe, wie der Bildausschnitt eines sonnigen Tages schrumpft und verschwindet. Vor mir ist es dunkel, und ich komm zu spät zu Mathe. Es ist dunkel, ich komm zu spät, und mein Leben rollt auf eine neue, fremdartige Welt zu. Ich bin noch nicht mal aus der alten schlau geworden, und jetzt ist wieder alles neu.
    Ein Gestank hat sich über die Schule gestülpt: Es stinkt nach belegten Broten, die niemand essen wird, nach Lunchpaketen, liebevoll und mit leichter Routine

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